Steuer oder Steuerung? Vor dieser Frage stehen CFOs häufig, wenn es um interne Verrechnungspreise – auch Transferpreise genannt – geht. Das Controlling hat meistens das Nachsehen, wie jetzt eine Studie der Unternehmensberatung Horváth & Partner und der Steuerkanzlei Flick Gocke Schaumburg ergeben hat: Steuerliche Rechtssicherheit hat für alle der rund 250 befragte Unternehmen oberste Priorität.
Kein CFO will Gewinnkorrekturen, Steuernachzahlungen oder gar rufschädigende Strafen riskieren. Knapp die Hälfte der Befragten nutzt Verrechnungspreise daher ausschließlich zur Erfüllung steuerlicher Anforderungen.
Das bedeutet aber auch, dass viele Finanzchefs die Steuerungsfunktion der Verrechnungspreise aufgeben. Denn steuerlich wasserdichte Transferpreise stehen häufig im Widerspruch zu betriebswirtschaftlichen Anforderungen: So fordern die Steuerbehörden, dass sie sich an Marktpreisen orientieren, Controller bevorzugen dagegen die Herstellkosten als Preisbasis. „Es ist im Interesse der Controlling-Abteilung, steuerlich notwendige Gewinnaufschläge möglichst gering zu halten und einheitlich über den Konzern zu gestalten, um Deckungsbeiträge der einzelnen Einheiten lesen und vergleichen zu können“, sagt Studien-Mitautor Prof. Dr. Ralf Eberenz von Horváth & Partners. Das Resultat: Zwei Drittel der Befragten geben an, dass es bei der Festlegung von Transferpreisen zu internen Konflikte kommt.
BEPS-Initiative erhöht den Druck auf Steuerabteilungen
Dieses Dilemma verschärft sich gerade: Das liegt zum einen daran, dass Controller zunehmend ein Mitspracherecht einfordern. Aktuell geben 37 Prozent der Befragten an, Transferpreise seien in Ihrem Unternehmen wichtig, um Transparenz zu schaffen und Managemententscheidung zu vereinfachen. Wünschen würden sich dies 70 Prozent. Eine Anreiz- und Motivationsfunktion schreibt derzeit knapp ein Viertel den Transferpreisen zu, für wünschenswert halten das 59 Prozent.
Zum anderen erhöht die BEPS-Initiative, mit der rund 40 OECD-Staaten die Gewinnverlagerung in Steueroasen bekämpfen wollen, gerade den Druck auf die Steuerabteilungen: „Verrechnungspreise sind ein zentrales Element der BEPS-Initiative“, sagt Dr. Sven-Eric Bärsch von der Steuerkanzlei Flick Gocke Schaumburg.
Schon heute berichten 80 Prozent der Befragten, dass die Steuerbehörden ganz genau wissen wollen, wie die Transferpreise ermittelt werden. „Der Planungs- und Dokumentationsaufwand der Unternehmen bei Verrechnungspreisen wird mit BEPS weiter steigen“, erwartet Bärsch. Der Aufwand für die Datenaufbereitung könnte sogar völlig ausufern, befürchtet der Chemiekonzern Merck. Als besonders kritisch empfinden die Befragten das Vorgehen der Steuerbehörden in Italien, China und Indien: „Diese Länder streben einen größeren Anteil am internationalen Steueraufkommen an und prüfen daher Verrechnungspreise besonders kritisch“, erklärt Bärsch.
Steuerkonzept, IT und Sprache – CFOs haben Verbesserungspotential
Angesichts dieser Entwicklungen verwundert es kaum, dass 42 Prozent der 250 Befragten ihr Verrechnungspreissystem überarbeiten wollen. Studienautor Eberenz hat einige Tipps, wie CFOs die Interessen von Steuerabteilung und Controlling zusammenbringen können. Erster Ansatzpunkt ist die konsistente Abstimmung des Steuerungskonzepts mit dem Transferpreiskonzept: „Weitgehend selbständig agierenden Konzernunternehmen räumt der Gesetzgeber mehr Spielraum bei der Festlegung von Transferpreisen ein als beispielsweise stark weisungsgebundenen Vertriebseinheiten“, sagt Eberenz.
Auch ausgefeilte IT-Systeme können helfen, das Dilemma zu lösen. Während Steuerbehörden es häufig nicht tolerieren, dass Unternehmen zwei Transferpreise festlegen – einen für die Steuer und einen für das Controlling – können IT-Systeme helfen, die für das Controlling relevanten Elemente herauszufiltern. Bislang klagt jedoch rund die Hälfte der in der Studie Befragten über mangelnde IT-Unterstützung.
Schließlich kommt es auch auf eine gemeinsame Sprache an: „Juristisch geprägte Steuerexperten verstehen die betriebswirtschaftliche Sprache der Controller häufig nicht – und umgekehrt“, sagt Eberenz. Die beiden Abteilungen müssen deshalb besser kommunizieren. Das voranzutreiben ist Chefsache, der CFO ist gefordert.
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