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Digitalisierung im Rechnungswesen: Von Mittelfeld und Mittelmaß

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Noch immer kümmert sich rund ein Drittel der deutschen Unternehmen zu wenig um die Digitalisierung seines Finanz- und Rechnungswesens. Foto: Konstantin Hermann/stock.adobe.com

Verlässliche Daten, bessere und schnellere Entscheidungen und zuverlässigere Prognosen: Die fortschreitende Digitalisierung kann auch im Bereich des Finanz- und Rechnungswesens in Unternehmen für deutliche Effizienzgewinne sorgen. Doch noch immer beschäftigen sich viele deutsche Unternehmen zu wenig oder gar nicht mit der Digitalisierung ihrer Finanzfunktion. Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Studie, für die die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC 100 mittelständische und größere Unternehmen befragt hat.

Demnach hat sich zwar in den vergangenen zwei Jahren bei der Digitalisierung der Finanzfunktion einiges getan, doch die Coronakrise und die damit einhergehenden Auswirkungen auf die Arbeit innerhalb der Unternehmen haben sowohl Stärken als auch eklatante Schwächen beim Thema Digitalisierung offenbart. Jedes dritte Unternehmen, so das Ergebnis der Befragung, schiebt die umfassende digitale Transformation seines Finanz- und Rechnungswesens vor sich her. Lediglich 29 Prozent sehen den eigenen Technologieeinsatz als progressiv an, 52 Prozent sehen ihr Unternehmen dagegen im Mittelfeld. 

Zwar nutzen inzwischen 64 Prozent der Unternehmen für ihr internes Reporting ein Enterprise-Resource-Planning-System (ERP), doch mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) setzt dabei noch ganz oder zumindest teilweise auf Excel-Sheets. „Das ist ein Warnsignal, weil die hohe Nutzung von Excel-Dateien auf einen geringen Automatisierungs- und Integrationsgrad schließen lässt“, betont Petra Justenhoven, Mitglied der Geschäftsführung bei PwC Deutschland und Co-Autorin der Studie. An dieser Stelle ließen die Unternehmen viel Potential für die Automatisierung und Qualitätssicherung brach liegen.

Unternehmen lassen Effizienzgewinne ungenutzt

Die Tatsache, dass ein Drittel der Firmen bislang die nötige Transformation nicht angehe, sieht auch Rüdiger Loitz, Partner und Leiter Technology & Innovations in Assurance bei PwC mit Sorge: „Das halten wir für sehr riskant. Die Unternehmen laufen damit Gefahr, Effizienzgewinne unnötig lange ungenutzt zu lassen und so gegenüber dem Wettbewerb ins Hintertreffen zu geraten.“

Dies kann sich vor allem dann bemerkbar machen, wenn für unterschiedliche Zwecke regelmäßig mit sehr verschiedene Datenquellen gearbeitet werden muss, etwa bei nicht finanziellen Reportings im Bereich ESG (Environmental, Social, Governance). Über ein vollständig integriertes Reporting verfügen aktuell lediglich 6 Prozent der befragten Unternehmen, und damit sogar weniger als noch im Vorjahr (10 Prozent). Da ist noch deutlich Luft nach oben.

Grund zur Hoffnung, dass die digitale Transformation des Finanz- und Rechnungswesens der deutschen Unternehmen aber langsam Fahrt aufnimmt, gibt ein anderes Ergebnis der Studie. So haben nach eigenen Angaben inzwischen 6 von 10 Unternehmen mit der umfassenden Digitalisierung der Finanzfunktion zumindest begonnen. 10 Prozent davon beschäftigt das Thema bereits seit mehr als fünf Jahren und immerhin 24 Prozent seit bis zu fünf Jahren. „Diese Unternehmen haben erkannt, dass die Transformation der Finanzfunktion und der Abschlussprüfung eine Daueraufgabe ist, zumal das interne und externe Reporting mehr und mehr über das Finanz- und Rechnungswesen hinausgeht“, so Justenhoven.

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Interesse an Robotic-Lösungen gering

Gering fällt bislang das Interesse für die Verwendung von Robotik im Rechnungswesen aus. Lediglich 5 Prozent der befragten Unternehmen nutzen bereits selbstentwickelte Robotics-Process-Automation-Lösungen (PRA) sowie 9 Prozent am Markt erhältliche – ein Zuwachs von nur 1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Der eher geringe Einsatz von RPA ist aus unserer Sicht ein echtes Versäumnis, denn die Technologie kann schon mit geringem Investitions- und Implementierungsaufwand gerade bei Routineaufgaben für mehr Effizienz und eine bessere Ergebnisqualität sorgen“, erläutert Rüdiger Loitz. Immerhin: Insgesamt 18 Prozent planen zumindest, künftig Robotic-Lösungen einzusetzen.

Auch das Interesse der deutschen Unternehmen an der Blockchain-Technologie bleibt weiterhin gering. Als Grund dafür sehen die Experten, dass die Technologie nicht in allen Branchen gleichermaßen Mehrwert bringe. So scheitere es nicht selten am Fehlen konkreter Anwendungsideen.

thomas.holzamer[at]finance-magazin.de

Thomas Holzamer ist Redakteur bei FINANCE sowie Chef vom Dienst bei FINANCE-Online und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Banken-Sektor, speziell das Firmenkundengeschäft. Er hat Politikwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt studiert. Vor FINANCE arbeitete Thomas Holzamer mehr als 12 Jahre in den Redaktionen der Mediengruppe Offenbach-Post, zunächst als verantwortlicher Redakteur für Sonderpublikationen, später im Lokalen.