CSRD: Die große Unsicherheit

Mit dem Ampel-Aus sind viele Gesetzesvorhaben auf der Strecke geblieben, die der Bundestag vor dem vorgezogenen Ende der Legislaturperiode nicht mehr verabschieden konnte. Eines dieser Vorhaben ist das Umsetzungsgesetz, das die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in nationales Recht überführen sollte. Hintergrund: Die EU-Richtlinie verpflichtet Unternehmen zur Veröffentlichung eines Nachhaltigkeitsberichts und setzt die Standards dafür. Sie hätte eigentlich schon im Juli 2024 in nationales Recht umgesetzt werden sollen, doch die noch amtierende Bundesregierung hatte erst im Frühjahr 2024 einen Referentenentwurf veröffentlicht, der nach einer ersten Lesung im Bundestag an die Ausschüsse übergeben wurde. Zu einer zweiten und dritten Lesung, die für eine Verabschiedung notwendig gewesen wären, kam es nicht mehr. Gesetzesentwurf muss neu eingebracht werden Da aufgrund des Diskontinuitätsgrundsatzes mit dem Ende einer Legislaturperiode alle Gesetzesentwürfe verfallen, die nicht verabschiedet wurden, wird die nächste Bundesregierung den Gesetzgebungsprozess von neuem starten müssen. Doch was bedeutet das für die Unternehmen, die eigentlich damit gerechnet haben, ab 2024 dazu verpflichtet zu sein, einen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen und dafür entsprechende Ressourcen aufgebaut haben? Alles zum Thema Green Finance Grüne Anleihen, Schuldscheine und Kredite – der Markt für Green Finance entwickelt sich weiter. Die jüngsten Trends und Transaktionen finden Sie auf dieser Themenseite. Mehr lesen „Von der Nicht-Umsetzung der CSRD in Deutschland sind momentan in erster Linie die Unternehmen betroffen, die für das Geschäftsjahr 2024 einen CSRD-Bericht hätten vorlegen sollen“, sagt Alexander Glöckner, Wirtschaftsprüfer und Partner bei RSM Ebner Stolz. Das sind rund 500 kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Kreditinstitute und Versicherer mit mehr als 500 Beschäftigten. Diese Unternehmen mussten bisher einen nicht-finanziellen Bericht erstellen. „Da kein CSRD-Umsetzungsgesetz verabschiedet worden ist, gelten für das Geschäftsjahr 2024 die bestehenden Berichtspflichten, die im Jahr 2017 durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz festgelegt wurden“, sagt Anne Meldau, Environmental Policy und Senior Managerin bei RSM Ebner Stolz. CSR steht in diesem Fall für Corporate Social Responsibility; mit dem Umsetzungsgesetz wurde die Non-financial Reporting Directive (NFRD) in nationales Recht überführt. „Betroffene Unternehmen müssen für das Geschäftsjahr 2024 einschätzen und entscheiden, ob sie die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) vollständig oder partiell als Rahmenwerk nutzen können oder auf andere Rahmenwerke zurückgreifen. Komplett verzichten auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung können sie nicht.“ Alte Berichtspflichten gelten weiter Ein weiteres Problem: Die rund 500 schon für das Geschäftsjahr 2024 von der CSRD betroffenen Unternehmen haben ihre Wirtschaftsprüfer bereits mit den verpflichtenden externen Prüfungen beauftragt. „Diese Prüfungen beginnen nicht erst nach Ablauf des Berichtszeitraums, sondern laufen im Zweifelsfall schon seit mehreren Monaten“, sagt Glöckner. Auch hier tappen die Unternehmen im Dunkeln, wie sie damit fortfahren sollen. Mehr zum Thema Verwirrung statt Klarheit beim ESG-Reporting Das International Sustainability Standards Board will international einheitliche Regeln für die Nachhaltigkeitsberichterstattung durchsetzen. Doch es droht ein Wettlauf mit den Standards der EU und der USA. Mehr lesen Immerhin: Den wirtschaftlichen Schaden, der den Unternehmen durch die verzögerte Umsetzung der CSRD entsteht, halten Meldau und Glöckner derzeit noch für überschaubar. „Unter der Annahme, dass die CSRD verzögert umgesetzt wird, sind die Vorbereitungen der vergangenen Monate zwar nicht umsonst gewesen. Die Auseinandersetzung mit der rechtlichen Unsicherheit und das Vorbereitet-Sein auf verschiedene Szenarien fordern aber natürlich trotzdem zusätzlich Ressourcen“, sagt Glöckner. Und Meldau ergänzt: „Letztlich werden diejenigen Unternehmen bestraft, die sich darauf verlassen haben, dass Deutschland den Verpflichtungen zur rechtzeitigen Umsetzung der CSRD nachkommt, und entsprechende Vorbereitungen getroffen haben. Das ist aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ein fatales Signal!“ Was passiert mit Tochterunternehmen? Doch damit nicht genug. Für Unternehmen mit Tochterfirmen in EU-Staaten, in denen die CSRD schon umgesetzt worden ist, könnte die Lage noch komplizierter werden. Grundsätzlich sind solche Tochtergesellschaften dazu verpflichtet, ihre nicht-finanzielle Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den Vorgaben der CSRD zu erstellen und prüfen zu lassen. „Unklar bleibt jedoch, ob eine freiwillige konsolidierte Nachhaltigkeitsberichterstattung eines deutschen Mutterunternehmens für das Geschäftsjahr 2024 die Anforderungen der CSRD erfüllt und somit eine Befreiung von Tochterunternehmen in anderen EU-Mitgliedsstaaten bewirken kann“, erklärt Glöckner. Das wird sich erst noch in der Praxis zeigen müssen. Meldau empfiehlt Unternehmen deshalb, die Vorbereitungen auf eine Berichterstattung nach dem bestehenden europäischen Standard ESRS auch für die Erstellung der nicht-finanziellen Erklärung nach dem alten Rechtsrahmen zu nutzen. „Ein komplettes Zurückstellen auf das alte Berichtsregime ist zum jetzigen Zeitpunkt, in dem die Lageberichterstattung für das Geschäftsjahr 2024 im Grunde im Endspurt ist, eigentlich nicht abzubilden“, so die Senior Managerin. Neuer CSRD-Entwurf frühestens im Sommer Der Ratschlag gilt auch für die rund 13.000 Unternehmen, die seit Jahresbeginn eigentlich unter die CSRD fallen würden. „Die Vorgaben sind so umfangreich und komplex, dass man mit der Vorbereitung sicherlich nicht erst im Herbst starten kann“, so Meldau weiter. Alles zum Thema Wirtschaftsprüfer Wirtschaftsprüfer – ein verantwortungsvoller Job mit gutem Gehalt. Doch Skandale rütteln die Branche derzeit durch. Alles über Wirtschaftsprüfer gibt es hier. Mehr lesen Aufgrund der Neuwahlen und der anschließenden Konstitution des nächsten Bundestages rechnen die beiden Experten von RSM Ebner Stolz jedoch nicht vor dem Sommer mit einer Verabschiedung des Gesetzes. Auch eine spätere Umsetzung scheint denkbar, je nachdem wie die Mehrheitsverhältnisse im neuen Bundestag sein werden. Die Finanzabteilungen in den betroffenen Unternehmen werden mindestens einen Großteil des Jahres weiter in einer rechtlichen Grauzone arbeiten müssen. „Es ist schwer vorstellbar, dass die zukünftige Regierung die Umsetzung komplett auf Eis legt“, sagt Meldau und ist zuversichtlich, dass die CSRD doch noch umgesetzt wird. Die Frage ist nur, wann genau.

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