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Muss es immer SAP S/4 Hana sein?

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SAP bietet seinen Kunden mit S/4 Hana eine völlig neue Welt. Müssen Finanzabteilungen diese wirklich nutzen? Oder gibt es Alternativen? Foto: SAP SE / Wolfram Scheible
SAP bietet seinen Kunden mit S/4 Hana eine völlig neue Welt. Müssen Finanzabteilungen diese wirklich nutzen? Oder gibt es Alternativen? Foto: SAP SE / Wolfram Scheible

Der Druck nimmt zu: Bis 2027 müssen SAP-Kunden auf die neue Plattform SAP S/4 Hana umstellen. Dann stellt der Walldorfer Softwarekonzern aller Voraussicht nach den Support für das bisherige Kernprodukt SAP Business Suite (beispielsweise „SAP R3“) ein. Derzeit nutzen laut der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) noch 75 Prozent der SAP-Kunden die Business Suite.

Für CFOs und ihre Finanzabteilungen ist diese Umstellung ein Mammutprojekt. Markus Rolle, Finanzchef von Telefónica Deutschland, möchte die Systeme mit seinem Team bis 2024 umgestellt haben. Rund 200 der 480 Mitarbeiter in der Finanzabteilung seien momentan mit der Umstellung auf die neue Generation des ERP-Systems beschäftigt. „Nicht alle in Vollzeit, aber wir setzen hier erhebliche Kapazitäten ein“, resümierte der CFO kürzlich gegenüber FINANCE.  

SAP S/4 Hana: Abseits des Standards wird es teuer

Die Umstellung auf S/4 Hana ist naheliegend, immerhin haben viele Konzerne SAP-Systeme im Einsatz, und die Walldorfer genießen einen guten Ruf. Mit S/4 Hana will SAP vor allem die Datenanalyse und Business Intelligence verbessern. CFOs sollen Daten in Echtzeit abrufen können. Das bedarf jedoch einer einheitlichen System- und Datenstruktur, die nur wenige Konzerne aufweisen.

Viele Unternehmen versuchen daher im Zuge der Umstellung, konzernweit eine einheitliche Datengrundlage zu schaffen. Der Maschinen- und Anlagenbauer Gea versucht etwa, von über 60 unterschiedlichen ERP-Systemen konzernweit auf eins zu reduzieren. Der Energiekonzern E.on hat sich zu 96 Prozent am SAP-Standard orientiert und Sonderwünsche im Zuge der Hana-Umstellung größtenteils verboten.

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Derart konsequente Migrationsvorhaben sind jedoch nicht immer realistisch. Stephan Mathes, Geschäftsführer von Treuenfels Projects, plädiert daher dafür, dass Unternehmen sich mit dem Thema kritisch auseinandersetzen. „SAP ist der Marktstandard, und es gibt gute Gründe, sich dafür zu entscheiden“, sagt der Manager, der früher selbst als CFO gearbeitet hat. Allerdings gebe es Konstellationen, wo SAP S/4 Hana nicht die beste Wahl sei: „Beispielsweise, wenn nur Kernmodule wie FI und CO von SAP sind, ist der Mehrwert von S/4 Hana nicht mehr so beträchtlich.“ Auch im Hinblick auf zukünftige Integrationen durch beispielsweise M&A-Deals sei mit einem „gewissen Durcheinander“ in der Systemlandschaft zu rechnen.

Solange man im Standard bleiben könne, sei SAP auch eine bezahlbare Lösung. Doch die Individualisierung, die speziell Mischkonzerne benötigten, werde schnell teuer, so der Berater. „Die Kosten können sich dann schnell vervielfachen.“ Zudem erschwert eine Individualisierung, Daten automatisch und schnell aus den Systemen zu ziehen.

Controllern fehlen S/4-Hana-Skills

Das größte Problem ist laut dem Treuenfels-Berater jedoch nicht die technische Seite, sondern die menschliche. „Die Bedienung ist bei S/4 Hana zwar wesentlich besser und intuitiver als bei den Vorgängerversionen. Es gibt aber trotzdem zu wenig SAP-Controller am Markt“, beobachtet er. Mathes beschreibt die Suche nach SAP-Experten als aufwändig. Wenn man einen gefunden habe, müssten Unternehmen tief in die Tasche greifen: „Ein Kandidat mit S/4-Hana-Erfahrung kostet automatisch mindestens 25 Prozent mehr.“ Dazu käme, dass diese Kandidaten fast täglich Angebote über Plattformen wie LinkedIn oder Xing bekämen und entsprechend schnell wieder weg sein können.

Überhaupt werde der Fokus im Auswahlprozess für ein BI- oder ERP-System zu oft auf das technische gelenkt und das Thema Mitarbeiterverfügbarkeit zu gering oder gar nicht betrachtet, moniert Mathes. „Gerade in der Anwendung liegt aber häufig der Hund begraben. Die Kosten für Schulungen, Fluktuation und Kapazitätsengpässe sind häufig erheblich.“

Mathes weiter: „Aufgrund der Größe von SAP ist zudem eine gewisse Umständlichkeit festzustellen.“ Speziell der Budgetierungsprozess sei in SAP regelmäßig herausfordernd. Die Folge: „Unternehmen nutzen die Möglichkeiten von SAP dadurch eigentlich nicht, sondern behelfen sich mit herkömmlichen Programmen wie beispielsweise Excel.“ Daher sollten CFOs zumindest darüber nachdenken, ob es nicht Alternativen zu S/4 Hana gäbe.

„Der verständliche Wunsch nach Homogenität in der Systemlandschaft hält häufig einer kritischen Betrachtung nicht stand.

Stephan Mathes, Geschäftsführer bei Treuenfels Projects

Viele Optionen haben Unternehmen häufig schon im Einsatz, wie Mathes erklärt. „Da die meisten Finanzabteilungen mit Excel arbeiten, ist Microsofts Power BI eine Alternative im Bereich Business Intelligence“, sagt Berater Mathes. Auch andere BI-Tools wie Board, Tableau, Qlick oder Jedox seien weitverbreitet und – je nach Einsatz – ähnlich performant wie S/4 Hana. „Hier müssen die Mitarbeiter aber nicht oder weniger extra geschult werden, wenn das Unternehmen diese ohnehin schon nutzt.“

Gegen einen solchen „Best-of-Breed“-Ansatz spricht, dass viele Finanzabteilungen derzeit bemüht sind, Schnittstellen zu kappen und möglichst aus einem System heraus zu arbeiten. Mathes hält dagegen: „Der im erstem Moment verständliche Wunsch nach Homogenität in der Systemlandschaft durch möglichst wenige Schnittstellen hält häufig einer kritischen Betrachtung nicht stand. Je nach Anwendungszweck können sich andere Konstellationen ergeben, die für sich genommen sinnvoller sind.“

Die Angst vor einer zu heterogenen IT-Landschaft ist aus seiner Sicht übertrieben: „Die Programme sind untereinander immer kompatibler und die gefürchtete Schnittstellenproblematik in der Regel Schnee von gestern“, ist er sich sicher. Zentral sei letztlich, dass die Informationen schnell und leicht abrufbar sind: „Ob SAP das leisten kann oder ein anderes Tool, sollte dem Unternehmen letztlich egal sein. Hauptsache die Anwendung ist darstellbar.“

jakob.eich[at]finance-magazin.de

Jakob Eich ist Chef vom Dienst des Printmagazins FINANCE und arbeitet parallel für das Schwestermedium DerTreasurer. Beide Publikationen gehören zum Fachverlag F.A.Z Business Media, bei dem der gebürtige Schleswig-Holsteiner auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Erste journalistische Erfahrungen sammelte der Journalist in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost.