Newsletter

Abonnements

Als der Ukraine-Krieg die CFO-Welt veränderte

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken
Ein Jahr ist der Kriegsbeginn nun her. Auch die CFO-Welt ist nach wie vor eine andere. Foto: Amparo Garcia – stock.adobe.com
Ein Jahr ist der Kriegsbeginn nun her. Auch die CFO-Welt ist nach wie vor eine andere. Foto: Amparo Garcia – stock.adobe.com

Vor etwas mehr als einem Jahr wagte man zu hoffen, dass die Corona-Pandemie sich dem Ende entgegenneigen würde. Die Infektionszahlen des Winters 2021/2022 waren nicht so dramatisch gewesen, wie von vielen Experten befürchtet. Ein Großteil der Bevölkerung hatte mittlerweile mehrere Sars-Cov-2-Impfungen erhalten und/oder eine Infektion durchgemacht. Nach zwei Jahren Ausnahmezustand konnte man auf Normalität hoffen.

Dieser Wunsch endete heute vor genau einem Jahr, am 24. Februar 2022, jäh. An diesem Tag überraschte der russische Präsident Wladimir Putin einen Großteil der Welt mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine. Zwar hatten Experten im Vorfeld vor einem solchen Szenario gewarnt, einen Krieg in Europa konnte oder wollte sich aber kaum jemand vorstellen.

Zunächst dominierte die Ungewissheit: War die Ukraine erst der Anfang? Wollte sich Putin vielleicht die gesamte ehemalige Sowjetunion wieder einverleiben? Würde er zur Durchsetzung dieses Ziels das enorme Atomwaffenpotential nutzen, das er immer wieder erwähnte?

Ukraine-Krieg kostet 1,6 Billionen US-Dollar

Die Bevölkerung sowie Unternehmen und ihre CFOs fanden sich von heute auf morgen in einer völlig anderen Welt wieder. Absprachen und Gewissheiten waren plötzlich passé, Russland als verlässlicher ökonomischer Partner wurde zum Paria. Auch diese Publikation musste in diesen Tagen im Februar und März vor einem Jahr recherchieren und telefonieren: Wie betrifft der Ukraine-Krieg die Arbeit unserer Leserschaft?

Kaum ein Unternehmen traf der Krieg in der Ukraine härter als den Gasimporteur Uniper. Der Essener Konzern, der massiv abhängig war von russischen Gasimporten, rutschte tief in die roten Zahlen. Der Staat musste Uniper letztlich retten, der finnische Großaktionär Fortum ist mittlerweile ausgestiegen. Es waren schwere Monate für Uniper-Finanzchefin Tiina Tuomela, die das Unternehmen nun verlässt.

Ein weiteres prominentes Opfer ist der Autozulieferer Leoni. Der Nürnberger Kabelbaumspezialist wollte mit seinen Werken in der Ukraine und Russland eigentlich 400 Millionen Euro erwirtschaften. Das kam in den vergangenen Monaten zu den jahrelangen hausgemachten Problemen hinzu. Nun hat der Traditionskonzern ein veritables Finanzierungsdrama an der Hand, ein Schuldenschnitt soll die Lösung sein.

In fast allen Industriezweigen sorgte der Krieg indes für Verwerfungen. Kurz nach Kriegsbeginn führte FINANCE eine Umfrage unter Finanzchefs durch. Neun von zehn Finanzverantwortlichen gaben seinerzeit an, der Krieg werde zu wirtschaftlichen Einbußen führen. Zwölf Monate später steht fest: Der durch den Ukraine-Krieg angerichtete wirtschaftliche Schaden ist immens. Das IW Köln taxierte diesen für die Weltwirtschaft kürzlich auf 1,6 Billionen US-Dollar.

Gemengelage aus Inflation und Unsicherheit

Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Hohe Energiepreise, Inflation, geopolitische Unsicherheiten sind die wohl prominentesten. All diese Themen trieben in den vergangenen Monaten auch CFOs um.

Zunächst standen vielerorts naheliegende Entscheidungen an, etwa wie abhängig der eigene Konzern von Russland ist. Viele Unternehmen wie der Softwarekonzern SAP oder der Konsumgüterhersteller Henkel zogen sich in den Monaten nach Kriegsbeginn aus dem an der Fläche gemessen größten Land der Erde zurück oder kündigten das an. SAP verwarf die Pläne im Herbst jedoch aufgrund rechtlicher Anforderungen wieder.

Alles zum Thema

Ukraine-Krieg

Der Krieg in der Ukraine ist eine Zäsur für Europa. Welche Auswirkungen hat der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine auf Finanzmärkte, deutsche Unternehmen und CFOs?

Auch der befürchtete Ausschluss Russlands aus dem Zahlungsnetzwerk Swift führte in den ersten Wochen nach Kriegsbeginn zu Problemen. Wie sollten Unternehmen Gelder nach Russland überweisen? Oftmals mussten bestehende Verträge eingehalten werden. Von heute auf morgen lassen sich komplexe Geschäftsbeziehungen in der Regel nicht umstellen.

CFOs waren zudem gezwungen, ihre Risikomodelle teils komplett neu zu erarbeiten, denn gegen Russland und Einzelpersonen wurden immer neue Sanktionen verhängt. Finanzabteilungen mussten die Listen mitunter manuell überprüfen, um sicherzugehen, dass sie nicht gegen die Vorgaben verstießen.

Rohstoff-Hedging plötzlich in Mode

Viele Unternehmen mussten sich in der Folge des Ukraine-Kriegs und den blitzartig gestiegenen Commodities-Preisen mit dem oft stiefmütterlich behandelten Rohstoff-Hedging auseinandersetzen. „Gerade Unternehmen, die bislang noch kein Rohstoff-Hedging gemacht haben, erreichen damit ein gutes Ergebnis“, erläuterte Maxim Andreev, Spezialist für FX & Commodities Sales bei der SEB, im Mai gegenüber FINANCE.

„Um Rohstoffe hat sich bei diesen Unternehmen bisher allein der Einkauf gekümmert, das Treasury war da nicht eingebunden.“

Maxim Andreev, Spezialist für FX & Commodities Sales bei der SEB

Speziell mittelständische Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 500 Millionen Euro und 2 Milliarden Euro, die ihm zufolge bislang oft nur Devisen und Zinsen gesichert haben, waren interessiert. „Um Rohstoffe hat sich bei diesen Unternehmen bisher allein der Einkauf gekümmert, das Treasury war da nicht eingebunden“, sagte Hedging-Spezialist Andreev.

EZB passt Zinspolitik an

Die explodierenden Energiepreise setzten eine Kettenreaktion in Gang, die CFOs nicht nur bei Derivate-Geschäften bis heute beschäftigen. Durch die höheren Produktionskosten mussten Betriebe ihre Preise anheben. Dadurch stieg die jahrelang stabile Inflation auf einen Höchstwert von zwischenzeitlich fast 10 Prozent – ein Jahr zuvor wäre das noch undenkbar gewesen.

In der Folge wuchs der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), ihre Zinsstrategie zu verändern, um die Inflation einzubremsen. Im Juli folgte dann der erste Schritt weg von der Nullzinspolitik. Mittlerweile liegt der Leitzins bei 300 Basispunkten, weitere Zinsschritte sollen folgen.

CFOs müssen sich nun damit auseinandersetzen, dass die Fremdfinanzierung wieder etwas kostet. Einige Konzerne haben sich in den vergangenen Jahren hochverschuldet, speziell im Immobiliensektor. Sie sind gezwungen zu schauen, ob sie die Schuldenlast auch in der neuen Welt tragen können. Banken schauen derweil genauer hin, welchen Unternehmen sie zu welchem Preis helfen können und wollen.

Nachwehen werden noch jahrelang spürbar sein

Ein Jahr nach Kriegsbeginn scheint sich die Lage beruhigt zu haben. Putin rechtfertigt den Krieg zwar weiterhin mit kruden Theorien, doch wird Russland die Ukraine aller Wahrscheinlichkeit nach nicht einnehmen können. Auch ein Atomschlag Russlands wirkt derzeit nicht wahrscheinlich.

Dennoch werden die Nachwehen des Angriffs auf die Ukraine noch Monate und Jahre zu beobachten sein. Russland ist für den Westen kein verlässlicher Partner mehr. Dazu kommt, dass CFOs mit ihren Unternehmen aufgrund des Ukraine-Kriegs teilweise in Schieflage geraten sind. Diese wieder zu begradigen, wird für betroffene Unternehmen auch in einem stabileren wirtschaftlichen Umfeld eine schwierige Aufgabe.

Jakob Eich ist Chef vom Dienst des Printmagazins FINANCE und arbeitet parallel für das Schwestermedium DerTreasurer. Beide Publikationen gehören zum Fachverlag F.A.Z Business Media, bei dem der gebürtige Schleswig-Holsteiner auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Erste journalistische Erfahrungen sammelte der Journalist in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost.