Hätte Deloitte der Betrug bei Voestalpine auffallen müssen?

Dieser Fall sorgte vor Kurzem für Aufsehen: Der österreichische Stahlkonzern Voestalpine musste einen Bilanzbetrug im eigenen Unternehmen einräumen. Von sich aus verlor der Vorstand zwar kein Wort darüber auf der Jahrespressekonferenz, doch im Geschäftsbericht weist er auf Seite 112 auf die Bilanzkosmetik hin. Der Fall hat daher inzwischen die österreichische Finanzmarktaufsicht FMA auf den Plan gerufen: Eine Sonderuntersuchung soll klären, ob der Stahlkonzern gegen die Publizitätsvorschriften verstoßen hat. Zu hohe Vorräte und Forderungen bei Voestalpine Rückblick: Bei der deutschen Tochtergesellschaft des Unternehmensbereichs Metal Forming Divison soll ein ehemaliger Mitarbeiter die Bilanz geschönt haben. Voestalpine räumte „bewusst ergebnisverbessernde Fehlbuchungen hinsichtlich der Bilanzierung und Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden“ ein. „Insbesondere in den Positionen der geleisteten Anzahlungen innerhalb der Vorräte und der sonstigen Forderungen (inklusive Vertragsvermögenswerte) wurden im Rahmen der Bilanzierung von Werkzeugen und Entwicklungsleistungen sowie bei Preisanpassungen auf Serienfertigungen zu hohe Aktivierungen vorgenommen beziehungsweise Ausbuchungen unterlassen“, heißt es weiter auf Seite 112. Die Fehlbuchungen blieben nicht ohne Folgen: Die Bilanzmanipulationen beliefen sich auf 100 Millionen Euro. Das Eigenkapital hat sich von 7,6 Milliarden Euro auf 7,5 Milliarden Euro reduziert. Die Bilanz 2022/23 musste korrigiert werden. Geld ist allerdings keines durch den Betrug abgeflossen. Deloitte vergab uneingeschränkte Testate Geht es um Ungereimtheiten in der Bilanz, richtet sich der Blick meist schnell auf eine Gruppe: die Wirtschaftsprüfer. Warum haben die Abschlussprüfer des Konzerns den Betrug nicht aufgedeckt? Denn entdeckt wurde die Kosmetik erst durch die internen Controller des Unternehmens. Immerhin beschönigte der ehemalige Mitarbeiter ganze zehn Jahre lang die Bilanz. Geprüft wird Voestalpine seit 2020 von Deloitte mit Sitz in Wien. Zuvor segnete zwischen 1995 und 2019 ununterbrochen Grant Thornton Unitreu, die damalige Mitgliedsfirma des Netzwerks Grant Thornton International in Österreich, die Bilanz ab. Gerade ein Prüferwechsel bietet dem neuen Kontrolleur die Chance, die Zahlen nochmal genauer und mit einem frischen Blick zu überprüfen. Mehr zum Thema Der komplexe Betrugsfall bei Voestalpine Der Stahlkonzern Voestalpine hat mit seiner Kommunikation zum Bilanzbetrugsfall einige Investoren verärgert. Der Fall ist komplex und es sind noch viele Fragen offen. Eine FINANCE-Analyse. Mehr lesen Doch offensichtlich ist keinem der Prüfer etwas aufgefallen, denn die vergebenen Testate waren stets uneingeschränkt. Den Bilanzierungsexperten und ehemaligen CFO Nikolaj Schmolcke überrascht das nicht, wie er gegenüber FINANCE erläutert. „Voestalpine ist mit 17 Milliarden Euro Umsatz ein sehr großer Konzern. Das Geschäftsfeld Metal Forming trägt knapp 20 Prozent zum Umsatz bei. Ein Bilanzierungsfehler von 100 Millionen Euro über zehn Jahre macht im Schnitt 10 Millionen Euro pro Jahr – das atmet selbst ein kleines Geschäftssegment von Voestalpine einfach so ein oder aus, beispielsweise über die Bestandsbewertung“, erläutert er. Mit Blick auf die Verantwortung des Abschlussprüfers sagt er deutlich: „So etwas bemerkt man kaum, schon gar nicht als externer Prüfer.“ Vorräte und Forderungen sind leicht manipulierbar Der Bilanzierungsfehler tangiert die Bestände und Vorräte des Unternehmens sowie die Forderungen und betrifft damit das Umlaufvermögen – ein Bereich, der standardmäßig bei jeder Abschlussprüfung kontrolliert wird. So waren unter anderem die Vorräte um 30,8 Millionen Euro zu hoch bilanziert, die Forderungen um 42,6 Millionen Euro. Vorräte unauffällig zu manipulieren, sei grundsätzlich verhältnismäßig einfach, so Schmolcke. So gebe es beispielsweise gerade im Bereich der fertigen und unfertigen Erzeugnisse einigen Spielraum, der leicht auszunutzen sei. „Fertige beziehungsweise unfertige Erzeugnisse stellt das Unternehmen selbst her und muss sie daher nach bestimmten Methoden bewerten.“ Hier könne man in kleinerem Maße daher oft unbemerkt beschönigen. „Für die Bewertung kommen technische Aspekte ins Spiel, sodass die Wirtschaftsprüfung auf die Expertise des Fachpersonals im Unternehmen angewiesen ist“, so Schmolcke. Alles zum Thema Bilanzskandale Fehlbilanzierung, Betrugsverdacht, Insiderhandel: Immer wieder erschüttern Bilanzskandale die deutsche Börsenlandschaft. Die größten Skandale, die schlimmsten Fehler – die FINANCE-Übersicht. Mehr lesen Und auch Forderungen könne man – in geringen Summen – verhältnismäßig leicht und unauffällig manipulieren. „Die 42,6 Millionen Euro bei den Forderungen entstehen durch einfaches Schreiben von Rechnungen. Die Wirtschaftsprüfung findet sowas nur, wenn im Rahmen der jährlichen Saldenbestätigung ein Kunde kategorisch eine Forderung bestreitet.“ Mit Blick auf die Höhe der Forderungen im gesamten Konzern – rund 2 Milliarden Euro – handelt es sich bei dem Bilanzfehler um gerade einmal 2 Prozent. „Das entspricht in etwa der pauschalen Wertberichtigung. Das ist das Schwarze unter dem Fingernagel“, wie Schmolcke es formuliert. Voestalpine lässt den Fall extern prüfen Ob Voestalpine selbst eine Verantwortlichkeit beim Abschlussprüfer sieht, ist noch unklar. Das Unternehmen selbst hat bereits angekündigt, den Fall durch eine Rechtsanwaltskanzlei und eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft untersuchen zu lassen. Bis September soll die Lage aufgearbeitet werden. Ob es zu zivilrechtlichen Klagen oder strafrechtlichen Anzeigen kommt, sei noch offen. Deloitte selbst hat sich aufgrund der Verschwiegenheitsverpflichtung des Abschlussprüfers gegenüber FINANCE nicht geäußert. Den ehemaligen Prüfer Grant Thornton Unitreu gibt es in der heutigen Form nicht mehr.

Bütterlin-Goldberg wird neuer Deutschlandchef von Alixpartners

Top-Investmentbanker Fedorcik verlässt Deutsche Bank nach 30 Jahren

Future CFO: Almuth Steinkühler im FINANCE-Podcast

CFO-News: Varta, Enpal, Microsoft Österreich

Hätte Deloitte der Betrug bei Voestalpine auffallen müssen?

Aktuelle Artikel

Bütterlin-Goldberg wird neuer Deutschlandchef von Alixpartners

Top-Investmentbanker Fedorcik verlässt Deutsche Bank nach 30 Jahren

FINANCE Daily

Weitere Inhalte zum Thema

Voestalpine deckt Bilanzbetrug bei deutscher Tochter auf

Der komplexe Betrugsfall bei Voestalpine

BDO wegen Signa-Testat unter Druck

Aktuelle FINANCE Multiples

Beratende Dienstleistungen ist ein Feld für Strategen

Infrastruktur lockt Private Equity

Umwelt und Energiewende im Trend

Nachrichten

Themen

Unternehmen

FINANCE TV

FINANCE Köpfe

FINANCE Podcast

FINANCE Magazin

Research

Multiples

Events

Newsletter

Abonnements

Mediadaten

Redaktion

Stellenmarkt

Partner

Kontakt