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So plant Vitesco für die Zeit nach dem IPO

Der lange Weg in die Eigenständigkeit nähert sich dem Ende: Der Spin-off von Vitesco Technologies wird in einer Woche stattfinden.
Der lange Weg in die Eigenständigkeit nähert sich dem Ende: Der Spin-off von Vitesco Technologies wird in einer Woche stattfinden. Foto: Vitesco Technologies

Für Vitesco Technologies wird es ernst: Am 16. September, dem Donnerstag der kommenden Woche, wagt das Unternehmen aus Regensburg den Sprung an die Börse. Vitesco, das aus der ehemaligen Division Powertrain von Continental hervorgegangen ist, wird über einen Spin-Off an den Markt gebracht und soll im Prime Standard der Frankfurter Börse gelistet werden. Der erste Aktienkurs für den Antriebsspezialisten wird am Morgen des ersten Handelstags im Zuge einer Eröffnungsauktion gebildet.

Vitesco Technologies hatte seinen Börsengang schon seit längerem angestrebt, musste ihn jedoch wegen schlechter Marktbedingungen und zuletzt aufgrund der Coronakrise mehrfach verschieben – eine frustrierende Erfahrung, wie Finanzchef Werner Volz kürzlich im Interview mit FINANCE einräumte. Nach erfolgtem Listing könnte der Konzern in die höheren Börsenligen vorrücken. Es wäre schon attraktiv, „irgendwann vielleicht einmal im MDax gelistet zu sein“, sagte Finanzchef Volz am heutigen Mittwoch vor Journalisten.

Als Lead Financial Advisors und Listing Agents begleiten Bank of America, Deutsche Bank und J.P. Morgan den Börsengang. Als Co-Advisors waren BBVA, Citi, Commerzbank, Crédit Agricole, DBS Vickers Securities, DZ Bank, Helaba, ING, LBBW, SMBC Nikko und Unicredit an Bord.

Schaeffler-Holding wird Ankeraktionär

Die Aktionärsstruktur von Vitesco Technologies wird zunächst der seiner ehemaligen Mutter Conti entsprechen: Jeder Conti-Aktionär erhält für fünf Continental-Aktien eine Vitesco-Technologies-Aktie. Die Unternehmerfamilie Schaeffler hält über das Vehikel IHO rund 46 Prozent der insgesamt gut 40 Millionen Vitesco-Aktien. IHO hat sich auf einen sechsmonatigen Lock-up verpflichtet und wird in dieser Zeit keine Aktien verkaufen.

Neben der Schaeffler-Familie gibt es nur wenige Großaktionäre. Gut 5 Prozent der Anteile liegen künftig beim Harris Associates Investment Trust und gut 3 Prozent bei Blackrock. Die übrigen 46 Prozent bilden den Streubesitz. Jede Aktie ist vom 1. Januar 2021 an voll dividendenberechtigt. Für die Geschäftsjahre 2021 und 2022 ist laut Börsenprospekt jedoch derzeit keine Dividendenzahlung vorgesehen.

Free Cashflow von Vitesco wieder positiv

Nach dem Corona-Schock des vergangenen Jahres haben sich die Zahlen des Antriebsspezialisten zuletzt wieder erholt: Der Umsatz lag im ersten Halbjahr dieses Jahres bei knapp 4,4 Milliarden Euro, ein Plus von 29 Prozent gegenüber dem Vorjahreshalbjahr. Das bereinigte Ebit, im Vorjahr unter Corona-Einfluss mit minus 218 Millionen Euro noch deutlich negativ, erholte sich im ersten Halbjahr 2021 auf 84 Millionen Euro. Die bereinigte Ebit-Marge lag im ersten Halbjahr bei 1,9 Prozent – mittelfristig peilt CFO Volz hier einen Korridor von 7 bis 9 Prozent an, wie er kürzlich gegenüber FINANCE sagte. Der Free Cashflow, im ersten Halbjahr 2020 noch mehr als 800 Millionen Euro im Minus, fiel in den ersten sechs Monaten dieses Jahres mit knapp 305 Millionen Euro deutlich positiv aus.

Auf Dauer wird für den Erfolg von Vitesco Technologies entscheidend sein, wie schnell der Konzern die Transformation zur Elektromobilität mitgehen kann. Der Spezialist für Antriebstechnologien, der sich verstärkt auf Elektroantriebe fokussieren will, setzte 2020 an weltweit etwa 50 Standorten rund 8 Milliarden Euro um. Davon entfallen rund 3 Milliarden Euro auf sogenannte „Non-Core Technologies“: Technologien mit einem Umsatzvolumen von rund 2 Milliarden Euro werden in den kommenden zehn Jahren schrittweise auslaufen, so die Schätzung des Managements. Hinzu kommen bilaterale Vertragsfertigungen für Continental über eine weitere Milliarde Euro, die mittel- bis langfristig aus den Büchern verschwinden werden.

Vitesco Technologies setzt auf Elektrifizierung

Das Wachstum in der Elektrifizierung soll dies kompensieren – doch noch stehen dem hohe Anlaufkosten entgegen. Im vergangenen Jahr verbuchte Vitesco Technologies in der Business Unit Electrification Technology ein bereinigtes Ebit von minus 350 Millionen Euro, spätestens im Jahr 2024 soll die Sparte den Breakeven erreichen.

Einen wichtigen Meilenstein hat das Unternehmen dabei nach eigener Auffassung erreicht: Im ersten Halbjahr 2021 sei der Gross Profit (Bruttoertrag) der Business Unit Electrification Technology erstmals positiv gewesen, teilte das Unternehmen mit. Das sei ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zum bis 2024 geplanten Breakeven. Im ersten Halbjahr rüstete Vitesco Technologies nach eigenen Angaben etwa 500.000 Fahrzeuge mit elektrifizierten Antriebssträngen aus. Die Elektrifizierung soll zügig voranschreiten: Mittelfristig soll ein Drittel des Umsatzes auf ein breites Spektrum an Elektrifizierungskomponenten entfallen. Zum Ende der laufenden Dekade könnte sich dies in Richtung 80 Prozent Anteil bewegen, sagte CEO Andreas Wolf. Schon bis 2024 soll der Bereich Electrification Technology mehr als 2 Milliarden Euro zum Umsatz beitragen.

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Auf der M&A-Seite sieht der CEO keinen unmittelbaren Handlungsdruck – man habe „alles an Bord“, sagte er am Mittwochvormittag vor Journalisten. Allerdings schaue man auf interessante Start-ups und mögliche Arrondierungen. M&A sei aber derzeit nicht im Fokus der aktuellen Bemühungen.

Finanziell könnte das Unternehmen einen Zukauf durchaus stemmen – Deals bis zu einem Milliardenvolumen hält Finanzchef Volz für darstellbar. Vitesco Technologies ist schuldenfrei und weist derzeit eine Liquidität von zuletzt 580 Millionen Euro aus. Außerdem kann der Konzern auf eine Kreditlinie über insgesamt 1 Milliarde Euro zugreifen. Der syndizierte Kredit umfasst eine Basislinie über 750 Millionen Euro und eine zusätzliche inkrementelle Linie über 250 Millionen Euro. Letztere ließe sich „zeitnah ablösen“, verriet Volz kürzlich im Gespräch mit FINANCE. Er will nach der Börsennotiz neue Finanzierungsinstrumente wie Bonds näher prüfen.

Siegfried Wolf übernimmt Aufsichtsratsvorsitz

Mit dem Börsenprospekt ist auch die Vergütung des Managements veröffentlicht geworden. Als Fixgehalt erhält CEO Andreas Wolf 800.000 Euro, CFO Volz kommt auf 450.000 Euro und Personalchef Ingo Holstein bekommt 400.000 Euro Fixgehalt. Hinzu kommen erfolgsabhängige variable Vergütungsbestandteile, Pensionszusagen und weitere Leistungen.

Auch den 16-köpfigen Aufsichtsrat hat Vitesco Technologies nun vorgestellt. Designierter Aufsichtsratsvorsitzender soll der österreichische Unternehmer Siegfried Wolf werden, der zuletzt das MAN-Werk im österreichischen Steyr übernommen hat.