Thyssenkrupp präsentiert ernüchternde Zahlen: Der Industriekonzern vermeldet einen Nettoverlust von 2 Milliarden Euro im vergangenen Geschäftsjahr. Grund dafür sind vornehmlich Wertberichtigungen bei der Stahlsparte Steel Europe. Die Abschreibungen resultierten aus höheren Kapitalkosten sowie schlechteren Ertragserwartungen – kurz, mittel und langfristig, erklärt der Konzern. Hintergrund sei die konjunkturelle Lage und Strukturveränderungen der Stahlindustrie. Der Sektor steht vor einer massiven Transformation.
Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) belief sich nur noch auf 703 Millionen Euro. Im Vorjahr betrug der Wert noch 2,1 Milliarden Euro. Grund für die erheblichen Einbußen war der mit dem Rückgang der Materialpreise einhergehende Margendruck bei Materials Services sowie niedrigere Erlöse bei der Stahlsparte.
Ergebnisverbesserungen in den Sparten Automotive Technology, Marine Systems und Multi Tracks konnten diese Entwicklung nur zum Teil kompensieren. Hoffnungsträger ist der Free Cashflow vor M&A. Dieser hat sich mit 363 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr wieder aus dem Minusbereich befreit (Vorjahr: -476 Millionen Euro).
Gespräche mit EPH zu Stahl-Joint-Venture
Mittelfristig soll die Stahlsparte von Thyssenkrupp klimaneutral werden. Der Erfolg einer CO2-neutralen Stahlproduktion sei im Wesentlichen abhängig von der sicheren Versorgung mit großen Mengen grüner Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen, berichtete das Unternehmen. „Aus diesem Grund steht Thyssenkrupp im Austausch mit möglichen strategischen Partnern aus dem Bereich der Energiewirtschaft.“
Der Konzern führt konkret Gespräche mit dem Energieunternehmen EPH, der Holding des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky, über ein mögliches Joint Venture. Zu EPH gehören bereits die in Ostdeutschland ansässigen Braunkohlekonzerne Mibrag und Leag, die künftig verstärkt Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen wollen.
Thyssenkrupp und EPH führen nach eigenen Angaben bereits „konstruktive und ergebnisoffene Gespräche“. Die konkrete Ausgestaltung eines Joint Ventures ist derzeit noch offen.
Bevor der Deal über die Bühne gebracht werden kann, sollen jedoch erst die Planungen von Thyssenkrupp Steel auf einen neuen Stand gebracht werden, etwa die langfristige Strategie, berichteten Insider dem „Handelsblatt“. Die Transaktion könnte sich entsprechend noch verzögern.
Nun führt zusätzlich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Umwidmung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) zu Unsicherheit. Die Förderung der Direktreduktionsanlage, die Thyssenkrupp plant, sei zwar nicht davon betroffen. Thyssenkrupp-Steel-Chef Bernhard Osburg fordert dennoch einen Transformationsgifpel mit der Regierung, um die Auswirkungen des Urteils zu besprechen.
Aktienkurs reagiert positiv
Im neuen Geschäftsjahr will Thyssenkrupp wieder schwarze Zahlen schreiben. Der Konzern erwartet einen Jahresüberschuss im niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Konzernchef Miguel López rechnet mit einem anhaltend schwierigen konjunkturellen Umfeld. Finanzvorstand Klaus Keysberg strebt für das kommende Geschäftsjahr eine „bereinigte Ebit-Marge von 4 bis 6 Prozent auf Konzernebene, einen signifikant positiven Wert für den Free Cashflow vor M&A und verlässliche Dividendenzahlungen für unsere Aktionäre an.“
Eine Dividende soll es trotz des Milliardenverlusts auch diesmal geben: 15 Cent je Aktie wurden vorgeschlagen. Der Vorschlag trage vor allem dem deutlich verbesserten Free Cashflow vor M&A Rechnung. Der Markt reagiert auf die Ankündigung positiv und legt um rund 7 Prozent zu und stieg über 7 Euro.
Thyssenkrupp bald ohne CFO Keysberg
Das herausfordernde Umfeld bei Thyssenkrup wird künftig ein neuer CFO managen müssen: Im September gab Klaus Keysberg bekannt, dass er Thyssenkrupp nach fast dreißig Jahren zum Sommer des kommenden Jahres verlassen wird. Die Suche nach einem Nachfolger läuft bereits, eine Nachfolgelösung will das Unternehmen „möglichst zeitnah“ vorschlagen.
Esra Laubach ist Redakteurin bei FINANCE und widmet sich schwerpunktmäßig den Themen Transformation, Restrukturierung und Recht. Sie ist Sprach- und Kommunikationswissenschaftlerin. Vor FINANCE war sie rund fünf Jahre als Legal-Journalistin für den Juve Verlag in Köln tätig, wo sie auch ihr journalistisches Volontariat absolvierte. Esra Laubach arbeitete während ihres Studiums multimedial u.a. für das ARD-Morgenmagazin, mehrere Zeitungen und moderierte beim Hochschulradio Kölncampus.