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Wie finanziert sich die Kinobranche?

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Derzeit sind die deutschen Kinosäle dank „Barbie“ gut gefüllt, doch nach Corona haben viele Besucher dem Kino den Rücken gekehrt. Foto: hamara – adobe.stock.com
Derzeit sind die deutschen Kinosäle dank „Barbie“ gut gefüllt, doch nach Corona haben viele Besucher dem Kino den Rücken gekehrt. Foto: hamara – adobe.stock.com

Das Internet liebt Kofferwörter: Brad Pitt und Angelina Jolie werden zu Brangelina, Web plus Log gleich Blog und ganz aktuell: Barbenheimer, bestehend aus Barbie und Oppenheimer, den Sommer-Blockbustern der Starregisseure Greta Gerwig und Christopher Nolan, die weltweit Kritiker und Besucher begeistern.   

Die ungleichen Filme sorgen auch rund einen Monat nach ihrer Veröffentlichung für volle Kinosäle und reichlich Popcorn, das über die Kinotheken wandert. Das freut die Kinobetreiber kurzfristig, doch langfristig sehen diese sich weiterhin mit großen strukturellen und vor allem finanziellen Herausforderungen konfrontiert.

Kinoindustrie leidet an Post-Covid

„Der Weg der Besserung ist ein dorniger“, sagt Kim Ludolf Koch, unter dessen Dachgesellschaft Cineplex sich rund 90 Kinos von rund 26 Inhabern vereinen. Ein Blick auf die Zahlen gibt ihm Recht. 2019 wurden noch 113 Millionen Tickets in allen deutschen Kinos verkauft – 2020 kam Corona. Als im April 2022 die letzten Beschränkungen fielen, hoffte die Branche auf Besserung. Vergebens: 2022 wurden deutschlandweit 78 Millionen Tickets verkauft. Und auch im bisherigen Jahresverlauf konnte das Kino nicht zu präpandemischer Stärke zurückfinden: „Derzeit fehlen uns immer noch gut 15 Prozent der Besucher“, erzählt Koch. Insbesondere ältere Menschen meiden weiterhin Kinos.

Rund 90 Kinos versammeln sich unter der Dachgesellschaft Cineplex, deren CEO Kim Ludolf Koch ist. Foto: Kim Ludolf Koch

Die Situation der deutschen Kinos ist also gar nicht so rosig, wie der Blick auf die derzeit gut besuchten, vielerorts in Barbie-pink drapierten Kinofoyers vermuten lässt. „Die Kinobetreiber waren schon immer auf Kante genäht“, gibt Koch zu. Der Grund: Mit dem Verkauf der Tickets verdienen die Betreiber kein Geld. Unter dem Strich steht bei den Besitzern daher erst einmal ein Minus im einstelligen Bereich. Erst Zusatzverkäufe wie Popcorn und Getränke würden die Betreiber ins Plus heben. „Ähnlich wie bei einer Tankstelle, die ihr Geld auch mit Zigaretten, Cola und Chips macht.“

Mit dem Verkauf des Tickets allein machen Kinobetreiber ein Minus im einstelligen Prozentbereich. Foto: Eigene Darstellung nach Cineplex

Heruntergebrochen auf den Preis eines Kinotickets geht knapp die Hälfte des Erlöses als sogenannte Filmmiete an die Filmverleiher wie Warner Bros Pictures (Barbie) oder Universal Pictures (Oppenheimer). Die andere Hälfte der Erlöse bleibt beim Kinobetreiber als Deckungsbeitrag, erklärt Koch. Mit diesen Einnahmen müssen die Betreiber dann die Fixkosten bezahlen, wie zum Beispiel Löhne oder die Miete, letztere kann für ein großes Multiplex-Kino auch die 100.000-Euro-Marke reißen.

Cinemaxx-Aktionär kassierte 147 Millionen Euro

Auf der Finanzierungsseite haben sich in der deutschen Kinobranche, die lange Zeit von traditionsreichen Familienbetrieben geprägt war, verschiedene Modelle etabliert. Einer, der gut darüber Bescheid weiß, ist Meinolf Thies. Er begleitete bei der Cinemaxx-Gruppe als Leiter Operations und Teil der Geschäftsführung den Börsengang der Cinemaxx-Gruppe. Inzwischen ist er mit seinem Unternehmen „Consulthies“ seit 20 Jahren selbstständig. Zusammen mit seiner Ehefrau hat sich Thies auf die Beratung von Kinobetreibern spezialisiert, außerdem betreibt er selbst sechs Kinos.

„Die Kinofilialisten regeln ihre Finanzierungsfragen über den Mutterkonzern“

Meinolf Thies, CEO von Consulthies

„Die Kinofilialisten regeln ihre Finanzierungsfragen über den Mutterkonzern“, erklärt Thies. Mit Kinofilialisten meint Thies auch seinen ehemaligen Arbeitgeber Cinemaxx, der nach 14 Jahren an der Börse im Jahr 2012 vom britischen Multimediakonzern Vue Entertainment gekauft wurde. In Folge des Delistings konnte Hauptaktionär Herbert Kloiber damals schätzungsweise rund 147 Millionen Euro des Gesamtkaufpreises von 175 Millionen Euro einstreichen.

Private Equity finanziert deutsche Kinoketten

Hinter Vue Entertainment stehen inzwischen die zwei kanadischen Finanzinvestoren Omers und Aimco zu gleichen Teilen. 2018 wollte Vue Entertainment auch die damals 55 deutschen Kinos der Cinestar-Gruppe kaufen. Der Deal scheiterte in der Corona-Zeit, weil Vue Entertainment die Bedingungen des Bundeskartellamtes nicht fristgerecht erfüllte. Cinestar finanziert sich laut Thies somit weiterhin ausnahmslos durch australisch-stämmiges Kapital der Mutter EVT. Der Entertainmentkonzern erstand 2003 die Kinokette. 

Auch die 22 deutschen UCI-Kinos haben Private-Equity-Geschichte: 2016 kaufte der amerikanische Kinoriese AMC die UCI-Mutter Odeon & UCI von der britischen Private-Equity-Firma Terra Firma für geschätzte 1,2 Milliarden US-Dollar.

Private Equity ist in der deutschen Kinolandschaft aber die Ausnahme, denn hier dominiert nach wie vor eine breite Mittelschicht aus kommunalem Betreiber und Familienunternehmen. Diesen stehen in Finanzierungsfragen neben Fördermitteln wie denen der Filmförderungsanstalt in der Regel vor allem die klassischen Wege über die Hausbanken offen, erklären Koch und Thies gleichermaßen.

Sparkassen sind wichtige Finanzierungspartner

„Ein großer Teil betreibt sein Geschäft seit mehreren Generationen, weshalb hier gute und gewachsene Beziehungen zu den jeweiligen Banken bestehen“, formuliert es Koch. Bei der Aushandlung von Krediten und Leasing-Verträgen profitierten Inhaber davon, dass lokale Sparkassen und Entscheidungsträger eine Kinoansiedlung oft im Sinne der Stadtentwicklung begrüßten. Gerade in kleineren Städten sei dies der Fall, sagt Koch.

Meinolf Thies erlebte den Werdegang von Cinemaxx hautnah mit. Foto: Consulthies

Doch auch diese Art der Finanzierung sei mit der Corona-Pandemie schwieriger geworden. „Die Kundenberater sind risikoaverser geworden“, erklärt Koch. Für Thies liegt das nicht zuletzt am harten Agieren des Staates während der Corona-Pandemie. Die schnellen und harten Schließungen hätten gezeigt, dass die stets zwischen Kulturbetrieb und Unterhaltungsindustrie oszillierende Kinolandschaft im Zweifel einen schlechten politischen Stand habe.

„Als ich Mitte 2017 die Eröffnung eines neuen Kinos mit ansässigen Investoren plante, riet mir die lokale Hausbank noch dazu den ,großen Wurf‘ zu wagen und die Immobilie selbst zu bauen. Als dann die Pandemie kam, waren dieselben Banker froh, dass ich doch nur Mieter geblieben war“, verbildlicht Thies die in der Krise gewachsene Skepsis der Geldhäuser gegenüber der Branche.

Selbstständigkeit und Kooperation bei Cineplex

Zwischen den fremdfinanzierten Kinoketten mit Private-Equity-Hintergrund und den rein inhabergeführten Familienbetrieben ist Kochs genossenschaftsähnliche Dachgesellschaft Cineplex Deutschland ein Sonderfall. Denn im Gegensatz zu Thies betreibt Cineplex keine Spielstätten, finanziert aber auch nicht im Sinne eines Franchise die einzelnen Standorte. Stattdessen sind die Inhaber der Kinos mit Cineplex-Logo zunächst für ihr operatives Geschäft – und auch für ihre Finanzierung – selbst verantwortlich.

„Die Rentabilität betrifft uns nicht unmittelbar. Das ist Aufgabe des Gesellschafters“

Kim Ludolf Koch, CEO von Cineplex

„Die Rentabilität betrifft uns nicht unmittelbar. Das ist Aufgabe des Gesellschafters“, bringt Koch es auf den Punkt. Wind von Finanzierungsproblemen bekomme er nur, wenn Dienstleister sich aufgrund ausstehender Rechnungen seitens der Kinobetreiber bei der Dachgesellschaft meldeten. In diesen Fällen könnte man als Dachgesellschaft als Vermittler gegenüber den Gläubigern eintreten.

Dennoch ist die Dachgesellschaft auf eine stabile Performance der Betreiber angewiesen. „Cineplex Deutschland finanziert sich im Wesentlichen aus den Erlösen von Werbekontakten und Rückvergütungen aus den zunächst von Cineplex eingekauften und anschließend von den Betreibern verkauften Verbrauchsgütern wie Snacks und Softdrinks“, schildert Koch.

Cineplex hat einen ausgeglichenen Haushalt

Im Gegenzug bietet die Dachgesellschaft unter anderem vergünstigte Verbrauchsgüter, ein zentralisiertes Kassensystem, vermittelt Werbe-Deals oder verhandelt die Filmlizenzen. Cineplex übernimmt damit vor allem administrative Aufgaben, die für die einzelnen Betreiber mit zu viel Aufwand verbunden sind und kann günstigere Konditionen für Popcorn und Co. verhandeln. „Da geht es vor allem um Mengeneffekte“, fasst Koch zusammen.

Insgesamt kommt die Dachgesellschaft so auf jährliche Ausgaben im mittleren siebenstelligen Bereich. „Außerdem haben wir durchlaufende Posten in gleicher Höhe“, legt Koch offen. Konkrete Zahlen gibt der Kino-Manager auf Nachfrage von FINANCE nicht preis.

Dabei schafft es die Dachgesellschaft nach eigener Aussage, regelmäßig die eigenen Kosten und Investitionen aus dem laufenden Betriebsgeschäft zu refinanzieren. Der Haushalt der Cineplex-Dachgesellschaft ist laut dem CEO ausgeglichen. „Unsere Hausbank ist betrübt, dass wir keine Kredite aufnehmen und nie Verzugszinsen oder dergleichen zahlen müssen“, meint Koch mit Augenzwinkern.

Um diese komfortable Situation weiterbeibehalten zu können, sei es essentiell, Investitionen für die Gruppe auch abzuwägen. So entschied man sich bei Cineplex beispielsweise vor einigen Jahren gegen den kompletten Austausch des Kassensystems, weil der Nutzen der Investition die Kosten in Höhe von zwei Millionen Euro nicht rechtfertigte, beschreibt Koch.

Angesichts der großen makroökonomischen Herausforderungen müssen Kino-Manager in Deutschland vielleicht schon bald weitere Investitionspläne verwerfen. Denn auch wenn Barbenheimer derzeit für gute Umsätze sorgt, dürfte der anhaltende Streik der Schauspieler und Drehbuchautoren spätestens im nächsten Jahr die Kinobetreiber wieder vor fundamentale Schwierigkeiten stellen.