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Fintech-Euphorie im Factoring ebbt ab

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Fintechs haben Factoring für sich entdeckt. Einige geben aber schon wieder auf.
Jirsak/iStock/Thinkstock/Getty Images

Factoring-Fintechs jagen den etablierten Anbietern in der Forderungsfinanzierung bisher nicht Angst und Schrecken ein. Der Deutsche Factoring-Verband nennt zwar „schon aus Wettbewerbsgründen“ keine offiziellen Zahlen der Factoring-Volumina seiner Mitglieder. Jedoch gibt er an, dass das Nettovolumen der angekauften Forderungsvolumina des sogenannten Fintech-Sektors „insgesamt noch eher überschaubar“ sei.

Dies liegt auch daran, dass sich Fintechs im Factoring bisher vornehmlich auf den kleineren Mittelstand und mittelständische Geschäftskunden konzentrieren. Schon deshalb können sie nicht die großen Volumina finanzieren, die Branchenschwergewichte wie Targo Commercial Finance, PB Factoring oder BNP Paribas Factoring bewegen. Vereinzelt haben die Marktführer Kunden, deren faktorable Forderungen die Milliardengrenze übersteigen.

Im Deutschen Factoring-Verband, der Interessenvertretung der Branche, sind derzeit lediglich zwei Fintechs Mitglied: Decimo und Billie, jeweils aus Berlin. Dies liegt auch an den strengen Aufnahmekriterien des Verbands: „Nur Unternehmen mit einer Bafin- und Bundesbank-Zulassung für Factoring“ können Mitglied werden.

Fintechs betreiben Factoring anders

Dabei kam die erste Welle der Fintechs in der Factoring-Welt schon vor zwei Jahren ins Rollen. Damals erkoren Gründer mit Gespür für Finanztechnologie die Finanzierung von Forderungen als interessantes Geschäftsfeld. Der Grund: Die vielen Daten, die die oft kleinteiligen Factoring-Kunden generieren, eignen sich gut für datenbasierte Risikomodelle.

Entsprechend bieten die Fintechs – im Gegensatz zu den traditionellen Anbietern – auch ein vollautomatisiertes Geschäftsmodell an. Die Prozesse vom Einreichen der Rechnung bis hin zum Erhalt der Finanzierung sind nahezu vollständig digitalisiert. „Die Angebote der Factoring-Fintechs sind in der Handhabung maximal einfach für den Kunden“, urteilt Friederike Stradtmann, Fintech-Expertin von Accenture. „Sie heben sich von herkömmlichen Anbietern durch schnelle Prozesse und einen attraktiven Preis ab.“

Allerdings hätten auch die etablierten Factoringanbieter in den vergangenen Jahren ihre IT-Schnittstellen weiterentwickelt. Auch deshalb sei es für die neuen Anbieter, die meist über kein Kundennetzwerk verfügten, schwierig, Marktanteile zu gewinnen, so Stradtmann.

Fintech Innolend musste aufgeben

Sorgt die technische Aufrüstung bei den Marktführern jetzt für eine Auslese unter den Factoring-Fintechs? „Der Markt wird sich immer weiterentwickeln. Wir sehen derzeit wenige, die aufgeben“, bremst Fintech-Expertin Stradtmann.

Eines, das aufgegeben hat, ist Innolend. Das Unternehmen, das sich als „Alternative zu Factoring“ etablieren wollte, wurde von Global Founders Capital (GFC) finanziert. Marktgerüchten zufolge kam eine nötige Finanzierungsrunde mit dem Venture-Fonds von Rocket Internet in diesem Jahr nicht zustande. Nun, zwei Jahre nach der Gründung, hat Innolend seine Aktivitäten eingestellt. Das Berliner Unternehmen hatte Kredite für Unternehmen zwischen 5.000 und 250.000 Euro angeboten.

Dass sich die Fintech-Euphorie im Factoring wieder legt, zeigt außerdem die Tatsache, dass der Zustrom neuer Anbieter laut Bafin abebbt: Gerade einmal 11 Neuzugänge hat die Finanzaufsicht im vergangenen Jahr verzeichnet, nach 21 Neuzulassungen im Jahr 2016.

Factoring-Fintech Billie mit großer Finanzspritze

Es gibt aber auch Fintechs, bei denen es besser läuft. Dem Factoring-Start-up Billie, das von Matthias Knecht und Christian Grobe geführt wird, gelang es Ende 2017, eine Finanzierungsrunde über 10 Millionen Euro zu stemmen.

Fintech-Spezialistin Friederike Stradtmann sieht auch wegen solcher Beispiele nicht schwarz für die Factoring-Fintechs. Allerdings hat sie beobachtet, das unter „Factoring“ derzeit sehr viel subsummiert wird: „Die Fintechs bieten echtes und unechtes Factoring an, es läuft offen oder verdeckt.“

Insbesondere beim unechten Factoring gehe das Ausfallrisiko nicht auf den Forderungskäufer über. „Für kleinere Unternehmen, die im Finanzbereich nicht so professionell aufgestellt sind, kann das intransparent wirken“, meint die Accenture-Spezialistin.

„Die Fintechs bieten echtes und unechtes Factoring an, es läuft offen oder verdeckt.“

Friederike Stradtmann, Accenture

Unzufriedene Kunden von Factoring-Fintechs, sollte es diese in größerer Anzahl geben, sind FINANCE auch noch nicht bekannt – das ist wohl die gute Nachricht des neuen Marktes. Hatte noch vor einigen Jahren die Factoringgesellschaft Quorum als Newcomer durch unseriöse Praktiken von sich reden gemacht, kann man Ähnliches über die Factoring-Fintechs bisher nicht sagen.

markus.dentz[at]finance-magazin.de

Info

Mehr zu den genannten Themen erfahren Sie unter Fintech-Strategien und Factoring.

Markus Dentz ist Chefredakteur von FINANCE und der Fachzeitschrift DerTreasurer. Seine journalistischen Schwerpunktthemen sind Unternehmensfinanzierung, Restrukturierung und Treasury. Nach dem Studium und dem Volontariat beim F.A.Z.-Institut stieß Dentz zur FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH, einer Tochter der F.A.Z.-Verlagsgruppe und Herausgeberin von DerTreasurer und FINANCE. Mehrfach wurden seine Artikel aus den Bereichen Private Equity und M&A mit Journalistenpreisen ausgezeichnet.