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Trade Finance: Was macht eigentlich Contour?

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Bei der Handelsfinanzierung ruht viel Hoffnung auf Blockchain-Plattformen wie Contour. Foto: sittinan/stock.adobe.com
Bei der Handelsfinanzierung ruht viel Hoffnung auf Blockchain-Plattformen wie Contour. Foto: sittinan/stock.adobe.com

Ob We.Trade, Marco Polo oder Contour – bei der Digitalisierung der Handelsfinanzierung setzen gleich mehrere Plattformen auf die Blockchain-Technologie. Doch die Entwicklung des Geschäfts verläuft nach erfolgreichen Testphasen eher schleppend. So auch im Fall von Contour: Rund eineinhalb Jahre nach dem Start kämpft die Plattform noch mit geschäftlichen Anlaufschwierigkeiten. Diese liegen eher auf Seiten der potenziellen Kunden, wie Joshua Kroeker, Chief Product Officer von Contour, im Gespräch mit FINANCE erläutert.

Die Plattform, hinter der neben der HSBC auch Banken wie die ING und die BNP Paribas stehen, hatte im Oktober 2020 ihren „kommerziellen Launch“ gefeiert und im vergangenen Frühjahr ihren ersten internationalen Live-Deal – eine Stahllieferung von Indien in die Vereinigten Arabischen Emirate – abgewickelt. Auch die Zahl der ursprünglich acht Bankpartner hat sich inzwischen verdreifacht. „Im vergangenen Jahr sind weitere 16 Banken dazugekommen, und wir sind nun in mehr als 50 Ländern vertreten“, berichtet Kroeker.

Contour: Deutsche Unternehmen zögern noch

Zögerlicher als die Banken sind die potenziellen Kunden, die CFOs und Treasurer, die die Contour-Plattform für Trade Finance nutzen sollen: Die Zahl der Live-Transaktionen hält sich offenbar noch in Grenzen. Zu deren genauer Zahl äußert sich Kroeker nicht, nur so viel: „Das Interesse seitens der Unternehmen ist da, aber viele sind zurückhaltend ein Early Adopter zu sein, also vor ihrer Bank und ihren Gegenparteien beizutreten. Sie wollen noch abwarten, wie sich die Dinge entwickeln“, erläutert er.

„Die klassische Frage ist immer, wer ist auf der Plattform dabei“, ergänzt Hermann Purr, Head of Global Trade and Receivable Finance bei HSBC Deutschland die Erfahrung aus seinen Gesprächen mit den Kunden der Bank. Als erste Bank hatte die HSBC im Dezember 2020 eine volle Mitgliedschaft abgeschlossen und den Echtbetrieb aufgenommen. „Das Netzwerk bringt den größten Mehrwert, wenn auch Mitglieder dabei sind“, betont Kroeker. Denn nur, wenn alle Stakeholder einer Transaktion an die Plattform angebunden sind, könne die Automatisierung die Vorgänge tatsächlich vereinfachen. Rund 100 Teilnehmer zählt das Netzwerk nach eigenen Angaben aktuell. Der Fokus der Geschäfte liegt auf Asien, was Purr mit den „großen innerasiatischen Akkreditivströmen“ erklärt.

Blockchain-Lösung spart Zeit und Kosten

Doch Kroeker ist überzeugt, dass die Nachfrage auch hierzulande bald anziehen wird: „Wir sind mit rund 100 Banken und ihren Unternehmenskunden in Verhandlung.“ Schließlich biete Contour den Nutzern viele Vorteile. So könnten auf Basis der Blockchain-Datenbank Akkreditive ausgestellt, Dokumente in einer offenen Netzwerkumgebung ausgetauscht und Handelsdokumente, die in externen Netzwerken von den Lieferkettenpartnern der Unternehmen erstellt wurden, verifiziert und verarbeitet werden.

Die Plattform wirbt damit, die Dauer für Transaktionen von den üblichen fünf bis zehn Tagen auf 24 Stunden zu reduzieren. Den stärksten Einfluss darauf hat das effizientere Aushandeln der so genannten „Letters of Credit“. Dies findet mit allen Stakeholdern direkt auf der Plattform statt, was die Abstimmungszeit halbiere. Gleiches gelte für die Bereitstellung der notwendigen Dokumente. „Für viele Dokumente reicht ein PDF“, erläutert Kroeker.

Gleichzeitig sinke auch die Eintrittsschwelle für kleinere Unternehmen, für die hohe Transaktionskosten bei einer kleinen Marge bisher wenig attraktiv waren, so Purr. „Durch die Automatisierung reduzieren sich diese Kosten. Dadurch gelingt es uns mit Contour, auch die KMU-Welt einzubinden“, erläutert er. Daher hoffen beide auch noch, dass das Netzwerk in naher Zukunft an Fahrt gewinnen kann.

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Fehlende Digitalisierung bremst Blockchain-Plattformen aus

Bis die Blockchain-getriebene Handelsfinanzierung allerdings zum Standard wird, dürfte es noch lange dauern, schließlich gebe  es noch eine Reihe von Problemen zu lösen, sagt Kroeker. Neben der Akzeptanz auf Unternehmensseite nennt er vor allem die noch immer fehlende Digitalisierung von Verwaltungsstellen:  Solange physische Zolldokumente und Stempel benötigt würden, seien die Verbesserungspotentiale durch Plattformen begrenzt, betont der Contour-Manager. Gleiches gelte auch für die Gesetzgebung zum Thema Blockchain.

Dennoch sind sowohl Kroeker als auch Purr überzeugt, dass Plattformen wie Contour, Marco Polo und Co. im Bereich der Handelsfinanzierung einen festen Platz einnehmen werden. Und der Contour-Manager denkt mit Blick auf die Unternehmenskunden bereits weiter: „Wir wollen langfristig die Plattform für Plattformen werden. Schließlich will niemand abhängig von einer Lösung sein.“ Das dürfte man bei der HSBC ähnlich sehen. Neben Contour ist die Bank auch bei weiteren Plattformen wie We.trade engagiert.

thomas.holzamer[at]finance-magazin.de

Thomas Holzamer ist Redakteur bei FINANCE sowie Chef vom Dienst bei FINANCE-Online und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Banken-Sektor, speziell das Firmenkundengeschäft. Er hat Politikwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt studiert. Vor FINANCE arbeitete Thomas Holzamer mehr als 12 Jahre in den Redaktionen der Mediengruppe Offenbach-Post, zunächst als verantwortlicher Redakteur für Sonderpublikationen, später im Lokalen.