Baubranche: Tiefbauer bekommen noch Kredit

Die deutsche Baubranche steckt in der Krise. Steigende Materialkosten, Lieferengpässe, Fachkräftemangel, bürokratische Hürden sowie ein Rückgang der Bauaktivitäten setzen der Branche massiv zu. Der Kreditversicherer Atradius geht davon aus, dass die Zahl der Insolvenzen in diesem Jahr zwischen 10 und 15 Prozent zunehmen wird. Mitbewerber Coface sieht in Westeuropa für die Baubranche ein sehr hohes Kreditrisiko. Doch wie macht sich die angespannte Lage im Bausektor auf der Finanzierungsseite bemerkbar? So hatte kürzlich etwa der Industrieversicherer QBE bekannt gegeben, mit sofortiger Wirkung europaweit keine Kautionsversicherungen für Bauunternehmen mehr zu zeichnen. Auch von anderen Kautionsversicherern, wie etwa Travelers, hat Alfons-Maria Gracher, Gründer und Geschäftsführer des gleichnamigen Kredit- und Kautionsmaklers, zumindest Überlegungen wahrgenommen, die in eine ähnliche Richtung gehen. Kautionsversicherer zeichnen selektiver „Die Schadenquoten sind im vergangenen Jahr in die Höhe geschnellt“, so Gracher. Vorläufige Zahlen des Gesamtverbandes der Versicherer (GDV) kommen für 2023 auf eine Schadenquote in der Kautionsversicherung von rund 66 Prozent. Die gezahlten Leistungen kletterten um 80 Prozent auf rund 615 Millionen Euro. Die Kostenquote für die Kautionsversicherung weist der GDV nicht separat aus, sondern nur gesamt für die Kreditversicherung, zu der die Kautionsversicherung gehört. Diese betrug 28 Prozent. Das heißt: Die Combined Ratio dürfte über 90 Prozent gelegen haben und die Kautionsversicherer dürften kaum etwas verdient haben. Das hat Auswirkungen aufs Neugeschäft. „Die Versicherer gehen deutlich selektiver vor, besonders Projektentwickler haben es schwer“, sagt Gracher, der aber betont: „Die Baubranche ist nicht nur Hochbau und Projektentwicklung.“ Laut Ifo Institut kamen Unternehmen im Juni allerdings schwerer an neue Kredite als in den Monaten zuvor. Besonders stark war der Anstieg im Baugewerbe. Demnach sei die Kredithürde von 22 Prozent auf 32,2 Prozent gestiegen – die stärkste Zunahme aller untersuchten Branchen. Ein ähnliches Bild zeichnet Kai Frömert, Managing Director beim Finanzierungsspezialisten FCF Fox Corporate Finance. Ihm zufolge sei „die Baubranche als Ganzes bei den Banken zurzeit nicht gut gelitten.“ Allerdings gäbe es Ausnahmen. „Man muss genau hinschauen“, sagt Frömert. So würden Tiefbauunternehmen zurzeit noch Kredit bekommen, auch wenn sie dafür möglicherweise länger suchen müssten als früher. „Aber die Bonität muss auf jeden Fall stimmen.“ Hochbau und Projektentwickler haben es schwer Ein mittelständischer Bauunternehmer, der anonym bleiben will, teilt FINANCE auf Nachfrage mit: „In den Gesprächen mit Kreditversicherern beziehungsweise Bürgschaftsgebern während der letzten sechs Monate gab es für uns keine Preisveränderungen. Auch sonst konnten wir nicht feststellen, dass auf deren Seite eine besondere Sensibilität eingetreten sein könnte. Bei den Banken sieht es ähnlich aus.“ Vorstellbar sei jedoch, dass reine Hochbauunternehmen es aktuell schwerer hätten, sich zu finanzieren. Jedoch: Banken wie die Commerzbank, Helaba oder LBBW teilen FINANCE auf Nachfrage mit, dass sie keine Änderung ihrer Kreditrisikoabschätzung für Unternehmen der Baubranche vorgenommen hätten. Milliardenschwere Infrastrukturinvestitionen stehen bevor Dass Tiefbaufirmen besser als Hochbauunternehmen oder Projektentwickler dastehen, hat einen einfachen Grund: In den nächsten Jahren werden milliardenschwere Investitionen in die Infrastruktur notwendig, die teilweise auch schon bewilligt wurden. So will etwa allein die Deutsche Bahn 2024 bis zu 16,4 Milliarden Euro in ihr Schienennetz investieren, die Bundesregierung stellt dieses Jahr über ihren Klima- und Transformationsfonds weitere 49 Milliarden Euro für die Modernisierung von Infrastruktur zur Verfügung. Das Gesamtvolumen bis 2027 soll sich auf 190 Milliarden Euro belaufen. Das spiegelt sich auch im aktuellen Ifo-Geschäftsklimaindex wider. Demnach hat sich die Stimmung im Bauhauptgewerbe seit Anfang des Jahres jeden Monat etwas weiter aufgehellt. „Wir sehen Licht am Ende des Tunnels“, sagt Gracher. Auch Frömert rechnet damit, dass zumindest der Tiefbau in den nächsten 18 Monaten mit einem Aufschwung rechnen kann. „Aktuell schlagen sich die voller werdenden Auftragsbücher aber noch nicht auf der Finanzzahlenseite nieder.“ Und er gibt zu bedenken: „Eine Zunahme bei den Insolvenzen sorgt für mehr notleidende Kredite, was zu einer restriktiveren Kreditvergabe bei den Banken führen und diese dazu veranlassen wird, mehr Marge zu verlangen. Darin sehe ich die größte Gefahr.“ Die Zahl der Insolvenzen im Baugewerbe hat im ersten Halbjahr 2024 laut Creditreform um 27,5 Prozent zugenommen. Die Lage am Bau bleibt also vorerst herausfordernd.

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