Die finanziellen Machtverhältnisse im europäischen Fußball

Der 9. April 2024 wird Fußballliebhabern noch lange in Erinnerung bleiben. An diesem Abend lieferten sich Real Madrid und Manchester City im Viertelfinal-Hinspiel der UEFA Champions League einen hochklassigen Schlagabtausch, an dessen Ende sechs Traumtore und ein spektakuläres 3:3 standen. Fans wie Experten waren entzückt, zugleich aber auch ein Stück weit traurig, dass nur ein Team ins Halbfinale würde einziehen können. Nach einem nicht minder intensiven Rückspiel fiel die Entscheidung schließlich im Elfmeterschießen zugunsten der „Königlichen“ aus Madrid. Auch abseits des Platzes liefern sich Real und Man City ein äußerst spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen – um den Titel als umsatzstärkster Fußballverein Europas beziehungsweise der Welt. Seit nunmehr drei Jahren belegen sie die Plätze 1 und 2 der Deloitte Football Money League. In der kürzlich erschienenen Rangliste für die zurückliegende Spielzeit 2022/2023 hat dabei zum ersten Mal Real Madrid die Nase vorne: 831,4 Millionen Euro (exklusive Transfererlöse) erwirtschafteten die Spanier im vergangenen Jahr – ein Plus von 16 Prozent gegenüber 2022 und zugleich ein Allzeithoch in der seit 1998 erscheinenden Deloitte-Analyse. Nur knapp dahinter landen „The Citizens“ mit 825,9 Millionen Euro, ebenfalls mit einem zweistelligen Wachstum gegenüber dem Vorjahr. Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken. Bayern München landet auf Platz 6 der Deloitte Money League Der erste deutsche Vertreter, Bayern München, kommt mit einem Umsatz in Höhe von 744,0 Millionen Euro unverändert auf Rang 6. Insgesamt stehen die drei genannten Vereine damit für die traditionell hohe Konstanz in der Rangliste, wie Stefan Ludwig, Partner und Leiter Sports Business Group beim Big-Four-Haus Deloitte, im Gespräch mit FINANCE berichtet: „Auf den ersten zehn Plätzen der Money League findet man in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren fast immer dieselben Vereine.“ Die letzten wirklichen „Neuzugänge“, die sich nachhaltig in den Top-Ten etablieren konnten, seien Manchester City (2014) sowie ein Jahr zuvor Paris Saint-Germain (PSG) gewesen. Beide Vereine wurden jedoch mit Geldern aus dem Nahen Osten massiv subventioniert und verstießen mehrmals gegen die Regeln des Financial Fairplay. Einen rein sportlichen Aufstieg hat also schon länger kein Club mehr geschafft. Die eingangs erwähnte Champions League sieht Ludwig als einen wichtigen Erklärungsansatz für die bemerkenswerte Stabilität auf den vorderen Plätzen. Der Wettbewerb sei der mit Abstand am schnellsten wachsende in den vergangenen 20 Jahren gewesen. Der Umsatz in der nächsten Rechteperiode 2024-2027 liegt inzwischen bei 15 Milliarden Euro, Tendenz weiter steigend. Die größten Profiteure dieses Booms seien die etablierten Mannschaften: „Die führenden europäischen Clubs haben es immer verstanden, sich hier geschickt zu positionieren. Sie bekommen daher die größten Kuchenstücke aus dem Champions-League-Topf ab, was ihre Positionen bei der Umsatzliste tendenziell weiter zementiert.“ Hohes Umsatzwachstum für Eintracht Frankfurt Wie so oft bestätigen aber Ausnahmen die Regeln: Eintracht Frankfurt etwa ist nicht zuletzt dank der Teilnahme an der Champions League 2022/2023 erstmals seit der Saison 2019/2020 wieder in der Top-20-Liste vertreten. Mit einem Gesamtumsatz in Höhe von 293,5 Millionen Euro (plus 41 Prozent) landen die Hessen auf Platz 16. Insgesamt summierte sich der Umsatz der 20 Money-League-Vereine im vergangenen Jahr auf 10,5 Milliarden Euro – so viel wie nie zuvor. Sowohl gegenüber 2022, als auch dem Prä-Corona-Niveau aus dem Jahr 2019 entspricht dies einem Anstieg von 14 Prozent. „Die heftige Covid-Delle liegt definitiv hinter den Spitzenclubs”, so Ludwig. Bei der Frage, wie viel Luft finanziell noch nach oben besteht, gibt sich der Experte bedeckt. Die Voraussetzungen seien grundsätzlich hervorragend: „Der europäische Spitzenfußball ist so populär wie nie zuvor – sowohl bei Fans als auch bei Investoren, die den Markt zunehmend als lukrative Assetklasse für sich entdecken.“ Einnahmen aus Trikotverkäufen und Sponsoren-Deals vorne Mit die interessanteste Veränderung in der aktuellen Deloitte-Auswertung betrifft die Zusammensetzung der Umsätze: Erstmals seit dem Jahr 2016 übertreffen die kommerziellen Einnahmen (zum Beispiel aus Trikotverkäufen und Sponsoren-Deals) die aus den Übertragungsrechten. Stefan Ludwig hat vor knapp sechs Jahren die Leitung der Sport Business Gruppe bei Deloitte übernommen. Foto: Deloitte Im Mittel erwirtschafteten die Top-20-Vereine 2023 demnach 222 Millionen Euro im Bereich kommerzieller Erlöse. Die durchschnittlichen Erlöse aus dem Broadcasting-Topf betrugen 213 Millionen Euro. Weitere 93 Millionen Euro fließen den Topclubs im Rahmen der Spieltage vor allem durch Zuschauereinnahmen zu. „Gerade für deutsche Vereine ist die kommerzielle Säule noch immer das Brot- und Buttergeschäft“, erklärt Ludwig. Bayern München etwa verdiente hier im vergangenen Jahr mit 419 Millionen Euro den höchsten Wert aller analysierten Topclubs. Bei den Einnahmen aus Übertragungsrechten lag der deutsche Rekordmeister hingegen mit 204 Millionen unter dem Durchschnitt. Zum Vergleich: Bei Man City hielten sich die beiden Einnahmequellen mit 399 beziehungsweise 344 Millionen Euro fast die Waage. Kein Private-Equity-Investor für die Bundesliga Insgesamt generiere die englische Premier League jährlich rund 3,5 Milliarden Euro aus den Übertragungsrechten, die Bundesliga kommt mit etwa 1,4 Milliarden Euro nicht einmal auf die Hälfte. „Mit Ausnahme vielleicht der spanischen Liga ist England hier in den vergangenen Jahren wirklich ein Stück weit enteilt. Für die Bundesliga besteht insbesondere bei den internationalen Medienrechten Bedarf zu investieren und die Aktivitäten auszubauen“, so Ludwig. Geholfen hätte in diesem Zusammenhang wohl der von der Deutschen Fußball Liga (DFL) forcierte Milliardeneinstieg eines Private-Equity-Investors. Der eingeleitete Bieterprozess war Ende Februar nach massiven Fanprotesten jedoch gescheitert. Droht die Bundesliga damit den Anschluss zu verlieren? Ludwig warnt vor voreiligen Schlüssen: „Der Einstieg eines strategischen Investors ist nur eine von mehreren Optionen, um mehr Schlagkraft in der internationalen Vermarktung zu bekommen.“ Denkbar sei etwa, dass Vereine Teile ihrer Gewinne in einen dafür vorgesehenen Topf einbringen. „Die Frage ist natürlich, auf wie viel Gegenliebe das stoßen würde. Die Clubs werden ungern freiwillig auf Teile ihrer zentralen Medienerlöse verzichten, noch dazu, wenn es dabei um langfristig orientierte Projekte mit ungewissem Ausgang geht“, so Ludwig. Vereine müssen langfristig denken Wenig hält er in diesem Zusammenhang von der Forderung nach einem Ende der hiesigen 50+1-Regel: „Das hätte keinen Effekt auf die Attraktivität der Bundesliga in der internationalen Medienlandschaft.“ Auch auf Vereinsebene selbst sei der Einstieg eines zahlungskräftigen Investors nicht automatisch des Rätsels Lösung, vor allem langfristig: „Wenn Vereine dauerhaft erfolgreich sein wollen, müssen sie viele Hebel in Bewegung setzen, ein glückliches Händchen am Transfermarkt ist da definitiv nicht genug.“ „Einige Clubs der Bundesliga haben bereits vor vielen Jahren erkannt, dass es neben Beinen auch Steine braucht. Von den anschließenden Investments in das eigene Stadion und Leistungszentrum, aber auch die digitale Infrastruktur, profitieren die Vereine bis heute“, so Ludwig.

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