In den vergangenen Jahren hatten sie noch einen deutlichen Wachstumssprung hingelegt: ESG-linked Loans. In einer Umfrage, die FINANCE jährlich gemeinsam mit der LBBW und F.A.Z. Business Media I research durchführt, gaben im Frühjahr 17 Prozent der befragten Finanzentscheider an, bereits ESG-linked Loans genutzt zu haben.
Im Vergleich zu den Jahren davor (2020: 1 Prozent, 2022, 5 Prozent) ist das ein enormer Schub. Schaut man auf die Großunternehmen, wird noch deutlich, dass die Kredite, bei denen die Zinsmarge an Nachhaltigkeitskennzahlen gekoppelt ist, auf dem Weg zum Standardinstrument waren: Bei Unternehmen mit mehr als 5 Milliarden Euro Umsatz gaben 43 Prozent an, diese Kreditform bereits genutzt zu haben.
Doch der Markt hat sich in den vergangenen Monaten deutlich gewandelt. Am Anleihemarkt wächst der Anteil an Green Bonds, Sustainability-linked Bonds (SLBs) gehen dagegen stetig zurück. Das Volumen der im ersten Halbjahr platzierten ESG-linked Loans hat sich von 2023 zu 2024 nahezu halbiert. Bei Schuldscheinen mit ESG-Komponente zeigte sich eine ähnliche Entwicklung. „Wir sehen seit 2023 einen kontinuierlichen Rückgang und glauben, dass sich der Trend fortsetzen wird“, sagt Michael Stich, Senior Manager Sustainability von der LBBW.
CSRD beeinflusst Green-Finance-Markt
LBBW-Experte Stich erklärt sich den Rückgang unter anderem mit den neuen Berichtspflichten über nichtfinanzielle Kennzahlen, die auf viele Unternehmen zukommen. „Wir hören von vielen Unternehmen, dass sie gerade stark in die Vorbereitung der Berichterstattung nach der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) eingebunden sind, und deshalb keine parallelen Reporting-Strukturen aufbauen wollen.“
Finanzierungsinstrumente mit nachhaltiger Komponente bedeuten schlicht mehr Aufwand für die Finanzabteilung. Zunächst müssen die entsprechenden Kennzahlen festgelegt werden, an die die Marge gekoppelt werden soll. Später muss über die Zielerreichung oder Verfehlung berichtet werden.
Info
Sie sind Finanzentscheider oder Geschäftsführer/CSRD-Verantwortlicher in einem Unternehmen? Dann sagen Sie uns, wie sie die aktuellen Entwicklungen am Green-Finance-Markt und bei nachhaltiger Unternehmensführung sehen. Hier geht es zur Umfrage.
Stich sieht bei Kreditfinanzierungen einen klaren Trend zur Koppelung an individuelle Nachhaltigkeitskennzahlen, während am Schuldscheinmarkt auch die Koppelung an ESG-Ratings weiterhin nachgefragt wird. „Ein Unternehmen muss für einen ESG-linked Loan erst entsprechende Nachhaltigkeitsziele definieren, doch Banken sind kritischer geworden und schauen sich die Auswahl der Kennzahlen inzwischen genauer an“, berichtet er. Es könne auch vorkommen, dass Banken die vom Unternehmen vorgeschlagenen KPIs nicht akzeptieren.
Greenwashing-Sorgen bei Corporates
Dahinter steckt, dass kein Marktteilnehmer leichtfertig Reputationsrisiken eingehen will. Kennzahlen, die vor einigen Jahren noch in ESG-Links eingebaut werden konnten, gelten heute nicht mehr als Marktstandard. „Es wird deutlich genauer geprüft, ob die Kennzahlen auch wirklich wesentlich und ambitioniert sind“, so Stich. Einige Unternehmen, die im vergangenen Jahr Rendezvous-Klauseln eingesetzt hatten, hätten deshalb letztlich doch keine ESG-Links umgesetzt. „Sie haben gemerkt, dass das nicht so einfach ist, wie gedacht.“
Hier könnte die CSRD wiederum helfen: Durch die neue Regulierung müssen sich Unternehmen ohnehin intensiver mit ihren Transformationsplänen beschäftigen. Viele hofften, dass sich daraus KPIs ergeben werden, die dann wiederum leichter für nachhaltige Finanzierungen genutzt werden könnten, beschreibt Stich. „Diese KPIs sind dann zudem vom Wirtschaftsprüfer mit Limited Assurance geprüft, was mehr Schutz vor möglichen Greenwashing-Vorwürfen bieten kann“, ergänzt er.
Erholt sich der Green-Finance-Markt?
Wenn die Hürden der hohen Berichtspflichten gemeistert sind, könnte also wieder mehr Schwung in den ESG-linked-Markt kommen. Mit zweieinhalb bis fünf Basispunkten sind die finanziellen Vorteile, die dadurch erzielt werden können, in der Regel allerdings sehr überschaubar. Dass Unternehmen, die über entsprechende KPIs verfügen, trotz des geringen Vorteils wieder auf ESG-Links setzen, kann Stich sich gut vorstellen. „Bei Krediten wird es da sicher einen Mitnahmeeffekt geben. Am Schuldscheinmarkt zeigt sich zudem, dass solche Transaktionen einen größeren Investorenkreis anlocken“, so der Experte.
Für Gegenwind könnten wiederum die weiterhin hohen wirtschaftlichen und geopolitischen Risiken sorgen. In volatilen Zeiten stehe klar die Liquiditätssicherung im Fokus. Diskussionen über KPIs könnten den Prozess in die Länge ziehen. „Auch wenn ESG in so einer Situation vielleicht nicht ganz oben auf der Agenda steht, müssen Unternehmen sich klar sein: Das Thema wird nicht verschwinden“, betont er.
Die Rolle der Banken ändert sich
Der Regulator sorgt dafür, dass die Geldinstitute entsprechende Risiken in ihre Betrachtung aufnehmen. „Banken achten immer stärker darauf, was ins Portfolio passt“, beschreibt Stich und verweist etwa auf die Sektorpfade der LBBW. Inzwischen fragen potentielle Geldgeber deutlich mehr nichtfinanzielle Informationen ab. Angefangen habe es mit Treibhausgasemissionen von Scope 1 bis 3. „Im nächsten Schritt werden Biodiversitäts-, Social- und Governance-Themen hinzukommen“, ist Stich überzeugt.
Wenn die CSRD in der Unternehmenswelt umgesetzt ist, Corporates umfassend über ESG-Kennzahlen berichten und Transitionspläne ausgearbeitet haben, dann könnte sich auch die Rolle der Banken im Green-Finance-Markt ändern. „Banken wollen derzeit als ESG Advisor die ESG-linked Transaktionen begleiten. Wenn Unternehmen keinen Beratungsbedarf mehr an dieser Stelle haben, müssen sich Banken in diesem Geschäftsfeld darauf einstellen“, so Stich.
Welche Auswirkungen diese Entwicklung auf den Markt haben könnte, der in den vergangenen Jahren stark von den Banken vorangetrieben wurde, ist noch offen. Laut der Umfrage unter Finanzentscheidern glauben 44 Prozent der Befragten, dass ESG-linked Finanzierungen einen wirklichen Ansatz für Veränderungen schaffen können. Ein reines Bankenthema ist es also nicht.
Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.