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Startschuss für Börsensegment Scale

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Börsenchef Carsten Kengeter, DAI-Chefin Christiane Bortenlänger und Cash-Market-Leiterin Hauke Stars starten das neue KMU-Segment Scale. Während CFOs auf Scale setzen, sehen andere Marktteilnehmer grobe Webfehler.
Deutsche Börse

Carsten Kengeter, der CEO der Deutschen Börse, hat heute Morgen das neue KMU-Börsensegment „Scale“ eröffnet. „Scale bietet mittelständischen Unternehmen einen attraktiven Zugang zum Kapitalmarkt und mehr Aufmerksamkeit bei institutionellen Investoren. Das ist gut für unser Land und unsere Wirtschaft“, sagte er unmittelbar vor dem Handelsstart auf dem Parkett der Frankfurter Börse. Christine Bortenlänger, die Chefin des Deutschen Aktieninstituts (DAI) lobte Scale als „wichtige Erweiterung des Ökosystems Börse“.

Scale löst den in Verruf geratenen Entry Standard ab

Scale löst den Entry Standard ab, der durch vielfältige Pleiten und Gaunereien in Verruf geraten ist,  vor allem im Umfeld der von einer Pleitewelle erschütterten Mittelstandsanleihen. Bei Scale gelten deutlich strengere Zulassungsvoraussetzungen als im Entry Standard, es fallen aber auch höhere Kosten an. Zudem steigen für die Emittenten die Pflichten bei der Kapitalmarktkommunikation: Sie müssen sich ebenso einer strengeren Ad-hoc-Pflicht wie einem verpflichtenden Research-Urteil durch die beiden von der Börse bezahlten Research-Häuser Edison und Morningstar unterwerfen und mindestens eine Analystenkonferenz pro Jahr veranstalten.

Alle Scale-Mitglieder müssen von so genannten „Capital Market Partnern“ betreut werden. Diese Banken, Emissionsberater, Wirtschaftsprüfer und Anwälte müssen sich für diesen Status qualifizieren und eine Gebühr hinterlegen. 34 Häuser haben das zum Start von Scale getan, wie die Deutsche Börse heute Morgen bekanntgab. In bestimmten Fällen haften die Capital Market Partner gegenüber der Deutschen Börse privatrechtlich für Schäden, die wegen „unrichtiger oder unvollständiger Angaben“ im Emissionsantrag entstehen. Sie sollen – so die Hoffnung der Deutschen Börse – für Markthygiene sorgen und die Unternehmen, für die sie die Patenschaft übernommen haben, zur Einhaltung der Standards anhalten.

Viele CFOs mögen Scale

Zahlreiche Unternehmen haben bereits bekanntgegeben, ihre Aktien oder Anleihen künftig in Scale zu listen, zum Beispiel qualitativ überdurchschnittlich gute Entry-Standard-Mitglieder wie die Deutsche Rohstoff AG, Helma Eigenbau, MPC Capital, die Brauerei Karlsberg und der Fußballklub Schalke 04.

46 Aktien und Anleihen notieren zum Start schon in Scale, weitere werden in den nächsten Tagen folgen, wie Börse-Chef Kengeter ankündigte. Viele CFOs dieser Unternehmen hoffen auf einen Neuanfang ihres direkten Kapitalmarktumfelds. „Ich bin überzeugt, dass Scale ein richtiger Schritt ist“, sagt Johann Schmid-Davis, CFO der Familienholding Hörmann Finance, heute im Interview bei FINANCE-TV. Schmid-Davis ließ die erst im November neu begebene Mittelstandsanleihe vom Entry Standard in Scale überführen. Bald soll es auch einen eigenen Index auf die in Scale notierten Aktien und Anleihen geben, kündigte Kengeter an.    

Scope: „Scale ist ein Schritt in die richtige Richtung“

Trotz des schwungvollen Starts sind die Meinungen in der Finanz-Community geteilt: Ist Scale nur weniger schlecht als das Skandalsegment, in dem zahllose Mittelstandsanleihen explodierten, oder doch eine große Verbesserung? „Scale ist ein Schritt in die richtige Richtung“, lobt etwa die Ratingagentur Scope.

„Die restriktiven Scale-Anforderungen zu Verschuldung und Zinsdeckung können dazu beitragen, verlorenes Anlegervertrauen für ein High-Yield-Anleihensegment zurückzugewinnen“, hofft Sebastian Zank, Director Corporates bei Scope Ratings. Scope hat errechnet, dass die quantitativen Zulassungskriterien der Deutschen Börse – zum Beispiel ein Leverage von höchstens 5,0x Ebitda – zumindest ein Finanzrisikoprofil von B+ und besser implizieren.

Scope hofft, dass sich bei Scale die Investorenbasis hin zu professionellen Institutionellen verschiebt, so wie das auch an anderen europäischen High-Yield-Märkten passiert ist, zum Beispiel in Spanien, Italien und Skandinavien. Doch Scale hat nicht viel Zeit, sich eine gute Reputation zu erarbeiten, denn schon 2018 und 2019 steht bei den Mittelstandsanleihen der Höhepunkt der Refinanzierungswelle an: Anleihen mit einem Volumen von über 3 Milliarden Euro müssen refinanziert werden. Viele CFOs werden zur Anschlussfinanzierung auch den Kapitalmarkt brauchen. „Soliden Emittenten eröffnet ein Wechsel in Scale neue Chancen bei der anstehenden Refinanzierung“, glaubt Scope.

Beratungshaus Capmarcon hält Scale für ein „Feigenblatt“

Mit deutlich größerer Skepsis verfolgt die Finanzierungsberatung Capmarcon den Start von Scale. Die Stuttgarter haben sich als einer der härtesten Kritiker der Zustände am Mini-Bond-Markt hervorgetan und glauben bei Scale ähnliche Strukturen zu erkennen: „Scale ist ein Feigenblatt, ein Zeichen guten Willens – nicht mehr. Die Mehrzahl der Anleihen, die die großen Ausfälle verursacht haben, wäre auch in Scale begeben worden.“ Die Änderungen sind für Capmarcon-Chef Hans-Werner Grunow „kosmetischer Natur“, dafür aber „steigen die Emissionskosten und die Gebühren deutlich“. Auch der Analyst Peter-Thilo Hasler hat bei FINANCE Kritik an dem Gebührenanstieg geäußert.

Grunow meint, dass die Deutsche Börse mit Scale die falschen Ziele verfolgt: „Anstatt das Segment zu professionalisieren und eine neue Emissionskultur zu etablieren, will die Börse schwache Bonitäten vom Markt fernhalten. Aber das ist gar nicht ihre Aufgabe!“ Für einen Kardinalsfehler hält der Finanzierungsspezialist offenbar gerade das Konzept der Capital Market Partner, das die Deutsche Börse für ein zentrales Qualitätsmerkmal hält. „Mit dieser Konstruktion sichert die Deutsche Börse den bisher tätigen Akteuren ihre Pfründe. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sind bei Scale wieder jene Adressen am Start, die auch das Emissionsgeschäft bei Mittelstandsanleihen prägten“, fürchtet der Capmarcon-Chef.

Tatsächlich finden sich auf der heute veröffentlichten Liste der Capital Market Partner Namen von Beratungshäusern, die auch schon am Mini-Bond-Markt eine wichtige Rolle gespielt haben. Es haben sich aber auch größere Häuser registrieren lassen, etwa die Unicredit, die HSBC Deutschland, die Helaba sowie internationale Wirtschaftskanzleien wie etwa Linklaters, Morgan Lewis und Hogan Lovells.
 

Info

Abzocke, Pleiten, Betrug: Was am Mini-Bond-Markt alles schiefgegangen ist, zeigt unsere FINANCE-Themenseite Mittelstandsanleihen

Besuchen Sie auch unsere neue FINANCE-Themenseite zum neuen Börsensegment Scale.