Newsletter

Abonnements

Lieferkettenproblematik: Diese Instrumente wollen CFOs

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken
Dynamic Discounting und Reverse Factoring sind gerade besonders bei SCF beliebt. Foto: Kara – stock.adobe.com
Dynamic Discounting und Reverse Factoring sind gerade besonders bei SCF beliebt. Foto: Kara – stock.adobe.com

Covid 19, ansteigende Rohstoffpreise, ESG – die Lieferketten der Unternehmen müssen derzeit gravierende Einschnitte verkraften. Zu Beginn der Corona-Pandemie ging es vor allem darum, die Liquidität zu sichern. Doch wie sieht die Lage jetzt aus? Welche Supply-Chain-Finance (SCF)-Instrumente sind „krisenfest“?

Zunächst muss man dabei zwischen Unternehmen unterscheiden, die ihre Liquidität noch mit aller Kraft zusammenhalten müssen, oder denen, die zu viel haben und Gefahr laufen, Strafzinsen zu zahlen.

SCF-Instrumente für schwache Liquidität

„Vor und auch noch am Anfang der Krise haben Unternehmen häufig mit ihren Lieferanten verlängerte Zahlungsziele verhandelt, um ihre Liquidität zu schonen, allerdings ohne begleitende Maßnahmen, die auch den Lieferanten helfen. Das ist mittlerweile in den Hintergrund gerückt“, beobachtet Frank H. Lutz, CEO von CRX Markets, ein Anbieter für Working-Capital-Finanzierungen. Stattdessen setzten sie nun vermehrt auf Instrumente wie Reverse Factoring: „Das ist noch stärker gefragt als zu Beginn der Pandemie.“

Auch Markus Rupprecht, CEO des Wettbewerbers Traxpay, beobachtet, dass Unternehmen immer öfter auf Reverse Factoring zurückgreifen, um auch bei schwacher Liquidität ihre Lieferanten wie gewohnt früher zu bezahlen. Bei Reverse Factoring springt ein Investor oder eine Bank als Zwischenfinanzierer ein. Er bezahlt den Lieferanten vorzeitig, wobei sich das Pricing an der Bonität des Schuldners orientiert, da dieser den Zwischenfinanzierer am Ende des Zahlungsziels ausbezahlt. Mit dieser Variante können die Unternehmen auch selbst ihr Working Capital verbessern – wenn sie die Zahlungsziele bei ihren Lieferanten als Folge der SCF-Einführung verlängern und durch die Nutzung von Reverse Factoring rechtzeitige Liquiditätsversorgung für ihre Lieferanten sicherstellen.

Alles zum Thema

Supply Chain Finance

Sie wollen mehr über Lieferkettenfinanzierung wissen? Alle Infos dazu finden Sie auf dieser Themenseite.

„Sollte Reverse Factoring nicht nutzbar sein, weil die Lieferanten zum Beispiel an keine Plattform angeschlossen sind, gibt es die Möglichkeit der digitalen Forfaitierung“, empfiehlt Rupprecht. Hier verkauft das Unternehmen regresslos Rechnungen auf Einzelbasis an einen Investor. Das Ganze passiert digital über die Plattform.

Laut Rupprecht kommen noch viele weiter Funktionalitäten hinzu. „Dazu gehören auch die Bankgarantien, die jetzt digital zum Einsatz kommen.“ Garantien werden genutzt um bestimmte Risiken abzusichern, wie zum Beispiel die Rückerstattung von Anzahlungen oder das Zahlungsrisiko des Debitors. Beim Factoring wird das Zahlungsrisiko des Debitors regelmäßig durch Kreditversicherungen abgesichert. „Zahlungsgarantien von Banken können nun automatisiert und digital den Lieferanten über eine SCF-Plattform zur Verfügung gestellt werden und stellen somit eine interessante Alternative zu Kreditversicherungen dar. Ausschlaggebend für die Preisfindung ist dabei nur die Bonität des Debitors.“

So nutzen Unternehmen mit zu viel Liquidität SCF

Bei Unternehmen, die dagegen viel Liquidität haben und Strafzinsen – im Fachjargon auch Verwahrenentgelte genannt – zahlen könnten, ist Dynamic Discounting angesagt. Bei diesem SCF-Instrument nutzen Unternehmen ihre eigene Überschussliquidität, um Rechnungen frühzeitig zu bezahlen. Im Gegenzug erhalten sie dafür Preisnachlässe von den Lieferanten, die sich nach der tatsächlichen Zahl der Beschleunigungstage bemisst.

„Dynamic Discounting ist ein probates Mittel für Unternehmen, um für einen überschaubaren Zeitraum eine sehr vernünftige Rendite bei minimalem  Risiko zu erwirtschaften“, sagt Traxpay-Chef Rupprecht. Im nicht-deutschsprachigen Raum ist laut CEO Lutz Dynamic Discounting ein etabliertes Finanzierungsinstrument, da klassisches Skonto dort nicht üblich ist.  „In den letzten drei Jahren war das Instrument Dynamic Discounting in Deutschland eher ein Randprodukt, das bei überschüssiger Liquidität zum Einsatz kam. Aktuell sehen wir einen steigenden Bedarf bei Firmen mit hohen Cashbeständen.“

Was wird aus Factoring?

Ein Instrument, dass dagegen von Rupprecht kritisch gesehen wird, ist das Factoring. „Die Probleme der Lieferketten werden sich auf Factoring auswirken. Denn gerade sind vor allem flexible Produkte gefragt, und das ist das Instrument nun mal nicht.“ Denn beim Factoring wird im Vorfeld bestimmt, welche Forderungen für welchen Zeitraum verkauft werden. „Das Problem dabei ist, dass das Unternehmen, wenn es genug Liquidität hat, dann nicht selbst eine Rechnung bezahlen kann, die vorher an das Factoring-Unternehmen verkauft wurde.“ Auf der anderen Seite würde laut Rupprecht das Factoring-Unternehmen auch keine zusätzliche Rechnung von Debitoren ohne weiteres ankaufen, die nicht vorher bestimmt wurden.

Auch laut CEO Lutz von CRX Markets muss sich Factoring verändern. „Corporates wollen nicht mehr alle Forderungen andienen müssen, sondern selber darüber entscheiden, welche Rechnungen sie zu welchem Zeitpunkt verkaufen. Factoring muss flexibler werden, dann werden wir das Instrument auch in Zukunft sehen, denn die Nachfrage ist definitiv da.“

Durch die Lieferkettenproblematik sei auch ein anderes Instrument in den Hintergrund gerückt, das vor Corona noch im Trend war: „Vor Corona wurde Purchase Order Financing oft diskutiert, das hat deutlich nachgelassen“, sagt Lutz. Im Gegensatz zum Reverse Factoring findet die Finanzierung nicht nach der Fakturierung statt, sondern bereits zum Zeitpunkt der Bestellung. „Ich kann mir aber vorstellen, dass das Instrument wieder beliebter wird, wenn sich die Lage entspannt.“

Supply Chain Finance: Herausforderung ESG

Neben der Pandemie und den ansteigenden Rohstoffpreisen wird ESG in der Lieferkette immer wichtiger, nicht zuletzt durch die Taxonomie. „Nachhaltigkeit in der Lieferkette ist auf jeden Fall die langfristige Herausforderung für die Unternehmen“, meint Rupprecht von Traxpay. Zukünftig müssten Unternehmen darauf achten, dass ihre Lieferanten nachhaltig sind.

Und auch die SCF-Anbieter würden ihnen dann entgegenkommen. Sowohl Traxpay als auch CRX Markets bieten Discounts bei den Instrumenten an, wenn die Unternehmen anfangen, einen Teil ihrer Lieferanten nachhaltiger aufzustellen. „Unternehmen können bis zu 25 Prozent sparen“, sagt Rupprecht.

Beide SCF-Experten sind sich zudem einig, dass auch wenn sich die Lieferketten wieder erholen, alle Instrumente bestehen bleiben. „CFOs legen nicht nur mehr Wert auf die kurzfristige Bilanz, bei der durch SCF viel Liquidität zu holen ist. Sie wollen auch weiterhin einen Finanzierungsmix in dem Bereich“, prognostiziert Lutz, der selbst jahrelang CFO war.

sarah.backhaus[at]finance-magazin.de

Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Backhaus ist spezialisiert auf die Themen Restrukturierung, Transformation, Zahlungsverkehr und Cash Management. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalistin für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.