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EY-Forensiker stießen bereits 2016 auf Ungereimtheiten bei Wirecard

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Der 137. Prozesstag im Wirecard-Mammutverfahren förderte brisante News zutage. Foto: laplateresca – stock.adobe.com
Der 137. Prozesstag im Wirecard-Mammutverfahren förderte brisante News zutage. Foto: laplateresca – stock.adobe.com

Brisante Neuigkeiten am gestrigen 137. Verhandlungstag im Wirecard-Prozess: Laut Zeugenaussage eines EY-Mitarbeiters gab es bereits lange vor der Insolvenz des Unternehmens im Juni 2020 Hinweise auf dubiose Geschäftspraktiken. Offen bleibt aber die Gretchenfrage: Hätten diese Erkenntnisse der EY-Forensiker die Kollegen in der Bilanzprüfung aufschrecken müssen?

Konkret berichtete der Mitarbeiter von zwei Entdeckungen, auf die er und seine Kollegen aus dem EY-Forensik-Team bereits in den Jahren 2016 und 2017 gestoßen waren. Zum einen soll demnach 2016 ein Krankenwagenfahrer in Dubai einen unbesicherten Kredit in Höhe von 6 Millionen US-Dollar von Wirecard erhalten haben. Zum anderen habe es Indizien für manipulierte Scheinumsätze im Zuge der 2016 getätigten Übernahme des indischen Payment-Dienstleisters Hermes gegeben.

Ex-Wirecard-COO Marsalek pfiff EY-Forensiker zurück

Letzterer Vorgang veranlasste den Wirecard-Vorstand um den angeklagten Ex-CEO Markus Braun, eine Sonderuntersuchung bei den EY-Forensikern in Auftrag zu geben. Dabei wurden „Indikatoren gefunden, die geeignet waren, die Vorwürfe zu stützen“, so der EY-Mitarbeiter gestern vor Gericht. Doch anstatt diese weiter zu verfolgen, wurde die Sonderuntersuchung kurz darauf auf Anweisung des Wirecard-Vertriebsvorstands Jan Marsalek beendet – ohne abschließendes Ergebnis.

Die parallel bei Wirecard aktiven EY-Bilanzprüfer erteilten dem Zahlungsdienstleister unterdessen ein uneingeschränktes Testat für die Bilanz. Eine Erklärung dafür hatte der gestern befragte EY-Mitarbeiter vor dem Landgericht München nicht. Am Ende sei dies die Entscheidung der Abschlussprüfer, so der Zeuge.

Hätte EY Vorwürfe in Bilanzprüfung einfließen lassen müssen?

Das Big-Four-Haus kommentierte den Sachverhalt gegenüber FINANCE wie folgt: „EY Deutschland ist in diesem Verfahren nicht beteiligt beziehungsweise angeklagt. EY Deutschland hat alle behördlichen Untersuchungen im Fall Wirecard von Beginn an vollumfänglich unterstützt und wird dies auch weiterhin tun.“

Aus Kreisen erfuhr FINANCE darüber hinaus, dass EY grundsätzlich den Standpunkt vertritt, wonach eine solche forensische Untersuchung nicht als Anlass für die Verweigerung eines Testats herhalten könne. Dies sei, in Einklang mit den rechtlichen Vorgaben, nicht Aufgabe des Abschlussprüfers. Ansonsten enthielten die gestrigen Aussagen keine neuen, relevanten Informationen zur forensischen Untersuchung von EY. Die Fakten seien bereits bekannt, und es sei darüber berichtet worden.

Kommende Woche steht derweil bereits der nächste wichtige Zeugenauftritt im Wirecard-Prozess auf dem Plan: Der frühere Chefbuchhalter Stephan von Erffa soll am 17. und 18. Juli aussagen.

Philipp Hafner ist Redakteur bei FINANCE. Er hat Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth sowie an der University of Amsterdam studiert. Vor FINANCE arbeitete Philipp Hafner mehr als sechs Jahre bei der Verlagsgruppe Knapp/Richardi, zunächst als Volontär, anschließend dann als Redakteur für die Fachzeitschrift „Immobilien & Finanzierung“.