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Roland Sackers: Wie schnell sich die Zeiten ändern

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Muss den Rückenwind durch die Coronavirus-Pandemie nutzen: Qiagen-CFO Roland Sackers
Qiagen N.V.

Wie schnell sich Zeiten ändern können: Vor knapp einem Jahr saß Finanzchef Roland Sackers beim deutsch-niederländischen Biotech-Pionier Qiagen noch auf dem absteigenden Ast. Zwei kassierte Wachstumsprognosen sowie die Einstellung einer selbst entwickelten Technologie zur Gen-Sequenzierung samt Wertberichtungen und Sonderkosten von über 260 Millionen Dollar sorgten dafür, dass der langjährige Qiagen-CEO Peer Schatz von Bord ging. Er war eine echte Firmenikone und das Gesicht des Unternehmens. Roland Sackers, der im Jahr 2004 den Finanzvorstand von Schatz übernahm,  bekam mit Thierry Bernard den Chef des Geschäftsfelds Molekulardiagnostik als Interims-CEO zur Seite gestellt.

Die Qiagen-Aktie sackte daraufhin bis auf 23 Euro ab und weckte prompt das Übernahmeinteresse der Konkurrenz. Gespräche mit möglichen Investoren ließen den Kurs dann kräftig steigen und genauso rapide wieder fallen, als der MDax-Konzern die Verhandlungen an Heiligabend für beendet erklärte.

Coronavirus als Gamechanger für Qiagen

Anfang März 2020 klopfte dann der US-Laborausrüster Thermo Fisher, der bereits in der erste Runde um Qiagen gebuhlt hatte, mit einem 10 Milliarden US-Dollar-Angebot erneut an. Analysten hielten das Angebot des US-Konzerns damals für vernünftig. Auch die Qiagen-Führung um CFO Sackers sprach sich ebenso wie der Aufsichtsrat für das offensichtlich nachgebesserte Übernahmeangebot aus.

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Dann aber brach die Coronavirus-Pandemie aus und änderte die Vorzeichen für den M&A-Deal, schließlich mutierte Qiagen dank seiner Virus-Testkits zum Krisenprofiteur. Infolgedessen legte der Umsatz im zweiten Quartal bei konstanten Wechselkursen um 19 Prozent auf 443 Millionen US-Dollar zu. Zuvor war das Unternehmen noch von einem Anstieg von nicht mehr als 12 Prozent ausgegangen.

Der Rückenwind wurde so groß, dass viele Aktionäre – darunter der Hedgefonds Davidson Kempner – die Kaufofferte für zu niedrig hielten – auch dann noch, als Thermo Fisher sie von 39 auf 43 Euro aufstockte. Die Amerikaner verfehlten die Mindestannahmeschwelle deutlich, der Deal platzte.

Roland Sackers priorisiert Wachstum

Seitdem sind fast zwei Monate vergangen, und Sackers nimmt noch immer das positive Momentum der Pandemie mit. Um der immens gestiegenen Nachfrage nachzukommen, musste das Biotech-Unternehmen eine Sieben-Tage-Woche einführen und das Personal aufstocken. In Kürze will die Firma mit operativem Sitz im nordrhein-westfälischen Hilden und Holdingsitz im niederländischen Venlo einen Covid-19-Schnelltest auf den Markt bringen, der innerhalb von 15 Minuten Ergebnisse liefern soll. Dieses Produkt dürfte ein Renner werden, mit sehr positiven Auswirkungen auf den Umsatz 2021.

Damit ändern sich auch die Prioritäten in Qiagens Finanzabteilung: Statt in den Abbau der Nettoverschuldung von rund 1,26 Milliarden Euro steckt der Finanzchef den gesteigerten Cashflow in die Finanzierung des Wachstums: Im September nutzte der MDax-Konzern eine Kaufoption und übernahm für rund 248 Millionen US-Dollar die restlichen 80 Prozent der Anteile am US-Diagnostikspezialisten NeuMoDx. Dort war Qiagen 2018 eingestiegen.

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Roland Sackers, Qiagen N.V.

Nach seinem Studium tritt Roland Sackers 1995 der Prüfgesellschaft Arthur Andersen bei und bleibt dort bis 1999. Danach wechselt er zu Qiagen, zunächst als Vice President für Finanzen. 2004 wird er zum Finanzvorstand ernannt, wo er seitdem die Entwicklung und Umsetzung der langfristigen Finanzplanung verantwortet, die der Wachstumsstrategie des Unternehmens zugrunde liegt. Im Jahr 2006 wird Roland Sackers darüber hinaus zum Managing Director ernannt.

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Qiagen klopft an die Pforte des Dax

Doch die Coronakrise wird nicht ewig dauern, und vor Corona waren die Wachstumsraten Qiagens im Branchenvergleich eher schwach. Was, wenn die Firma bald wieder in dieses Muster zurückfällt? Dann könnte der nächste Übernahmeversuch bloß eine Frage der Zeit sein, war es beim letzten Mal doch genau so eine Schwächephase, die eine ganze Herrschar von Kaufinteressenten anlockte. Finanzchef Sackers muss nun beweisen, dass Qiagen auch nach der Ausnahmesituation auf sicheren Beinen steht und die 2019 sichtbar gewordenen strukturellen Probleme der Vergangenheit angehören.

Noch dominiert in der Qiagen-Aktie aber die Euphorie: Mit einem Plus von über 40 Prozent seit Jahresbeginn gehört das Papier zu den klaren Gewinnern im MDax. Derzeit kommt Qiagen auf eine Marktkapitalisierung von 10,2 Milliarden Euro und nähert sich damit sogar den Ausläufern des Dax.

Qiagen-Aktie seit Jahresbeginn

Mit einem Aufstieg in die erste Börsenliga dürfte es zwar nichts werden – zu groß ist die Konkurrenz etwa von den beiden Siemens-Ablegern Healthineers und Energy. Zudem hat sich der Kurs des Abstiegskandidaten Covestro zuletzt deutlich erholt. Aber auch schon wenn Qiagen nach der Coronazeit wieder in seine alte Rolle zurückfinden würde – der eines attraktiven TecDax-Schwergewichts –, hätte die Achterbahnfahrt für Sackers ein gutes Ende gefunden – besser allemal als das Leben als Breitband-M&A-Target.

martin.barwitzki[at]finance-magazin.de

Info

Mehr über die bisherige Karriere von Finanzchef Roland Sackers erfahren Sie auf seinem Profil bei FINANCE-Köpfe.

Eine Übersicht über alle bisherigen CFOs des Monats gibt es auf der dazu gehörigen FINANCE-Themenseite CFO des Monats.