So hat sich Devolo transformiert

Eigentlich verkauft der Spezialist für Heimvernetzung Devolo recht begehrte Produkte wie WLAN-Verstärker. Rund 20 Millionen Haushalte beschleunigen derzeit mit Devolo ihr Internet zuhause. Trotzdem musste das Unternehmen innerhalb kurzer Zeit zwei Mal Insolvenz anmelden. Wie konnte es dazu kommen? Und wie kam das Unternehmen aus der Misere heraus? Rückblick: Als Heiko Harbers das Unternehmen 2002 gründete, waren es ein Pionier in der Übertragung von Internetdaten über Stromleitungen mittels Powerline-Technologie. Im Laufe der Jahre wuchs Devolo zu einem Unternehmen, das nicht nur Privathaushalte bediente, sondern als Partner große Internetanbieter wie etwa die Telekom oder Orange bedient. Zudem forschen und entwickeln die Aachener für die Industrie im Bereich Photovoltaik, Digitalisierung des Stromnetzes und E-Mobilität. Corona sorgt erst für volle Bücher und dann die Pleite In den ersten 18 Jahren legte Devolo einen steilen Aufstieg hin und setzte 2019 100 Millionen Euro um. Dann kamen die Rückschläge. Als die Bundesregierung beschloss, zum Jahr 2017 flächendeckend elektronische Stromzähler einzuführen, hatte Devolo frühzeitig dort investiert. Als das Projekt 2019 immer noch nicht angelaufen war, waren sie gezwungen, das Thema abzusetzen, berichtet Harbers. Der erste Schlag ins Kontor. Und dann kam Corona. Die Pflicht zu Homeoffice und -Schooling kurbelte die Produktnachfrage erst ordentlich an. „Die Nachfrage nach Home-Networking-Produkten führte dazu, dass alle Vertriebskanäle heiß gelaufen waren. Der Auftragsbestand war enorm, die Lieferzeiten für unsere Produkte betrugen 16 Monate. Doch mit der Ankunft der Ware kam auch der Lockdown“, erinnert sich Geschäftsführer Harbers. Auf einen Schlag waren die Lager also voll, aber der Verkauf im Einzelhandel stoppte. Eine Umstellung auf den Online-Vertrieb konnte nicht schnell genug umgesetzt werden. Und so stand für Devolo im Februar 2022 die erste Insolvenz ins Haus. Gesellschafter retten Devolo aus der ersten Insolvenz Heiko Harbers hat Devolo 2002 gegründet und ist bis heute Geschäftsführer des Aachener Spezialisten. Foto: Devolo Das war für Devolo der Startschuss für die erste Investorensuche. Diese war erschwert: „Zu diesem Zeitpunkt waren die Märkte noch sehr unruhig. Zusätzlich kam auch der Angriffskrieg in der Ukraine dazu. Viele Investoren wollten damals die Gesamtsituation abwarten“, erinnert sich Harbers. Schließlich haben sich die Gesellschafter von Devolo dazu entschlossen, eigenes Geld für die Rettung des Unternehmens in die Hände zu nehmen. Das Geld reichte aber nur neun Monate. „Im August 2023 folgte ein plötzlicher Konsumeinbruch. Die Gründe dafür sind uns weiterhin schleierhaft. Möglicherweise hatte der stationäre Handel erkannt, dass es kein Weihnachtsgeschäft geben werde, was dazu führte, dass die Elektrohändler nicht die üblichen Mengen bei uns eingekauft haben“, so der Gründer. Und plötzlich hatte Devolo einen Umsatzverlust von 12 Millionen Euro, berichtet Harbers. Damit kam die zweite Insolvenz. Doch von vorneherein war für Harbers klar, er will Devolo weiterführen. Wieselhuber und AMBG wagten sich an die Neujustierung Für das Eigenverwaltungsverfahren hat Devolo eng mit der AMBG Auditor Management- und Beratungsgesellschaft zusammengearbeitet, deren Beraterteam von Geschäftsführer Daniel Mann koordiniert wurde. Die Parteien kannten einander bereits, das war von Vorteil: „Aufgrund unseres Wissensvorsprungs konnten wir in kürzester Zeit wesentliche Sanierungsschritte in die Tat umsetzen. Unsere Erfahrungen bestätigen immer wieder den Grundsatz: Je eher der Geschäftsführer- und Gesellschafterkreis den objektiven Blick eines erfahrenen Dritten zulässt, desto erfolgreicher kann ein Schutzschirmverfahren von A bis Z gesteuert und das Haftungsrisiko für die Organträger minimiert werden“, so Sanierungsspezialist Mann. Während der Betrieb wie gewohnt weiterlief, musste Devolo-Gründer Harbers sich mit richtungsweisenden Fragen auseinandersetzen: Wohin soll das Unternehmen künftig steuern? Welche Geschäftsmodelle sind zukunftsträchtig? Als schließlich ein M&A-Prozess zur Debatte stand, kam auch Wieselhuber & Partner mit an Bord. Die Berater spielten mit dem Management verschiedene Szenarien durch. „Alsbald stand die Möglichkeit im Raum, dass wir den stationären Handel im Consumerbereich einstellen könnten und den Fokus auf die Onlinestrategie legen“, berichtet Gründer Harbers. Da das Geld aus eigenen Bemühungen bereits zum zweiten Mal knapp war, stimmte Harbers der Investorensuche zu. Jan Ehlert, Distressed-M&A-Experte bei Wieselhuber startete den globalen Investorenprozess. „Der stationäre Handel war der große Brocken.“ Heiko Harbers, Gründer und Geschäftsführer von Devolo Die Suche nach Investoren, verantwortet von Dr. Wieselhuber & Partner, war schwierig und dauerte rund drei Monate von der Marktansprache bis zum Signing und Closing. „Das war aufgrund des hohen Kapital- und Liquiditätsbedarfs vor der Neujustierung des Geschäftsmodells eine herausfordernde Zeit“, erinnert sich Ehlert. Strategische Wettbewerber hatten mit ähnlichen Problemen wie Devolo zu kämpfen und daher keine Kapazitäten für Zukäufe. Schließlich fiel die Wahl im April auf den österreichischen Investor SOL Capital Management. Der dritte Special-Situation-Private-Equity-Fonds, der von der SOL-Partnerschaft gemanagt wird, ist bereits in zwei deutsche Unternehmen – in den Aluminium-Verarbeiter Alfer Aluminium sowie das Maschinenbauunternehmen Polar – investiert und sah bei Devolo eine realistische Chance. „Die Ersteinschätzung nach der Durchsicht des Investmentmemorandums war positiv, und auch beim Devolo-Management haben wir dieselbe Wellenlänge festgestellt. Damit konnten wir uns bei SOL Capital einen Neustart aus der Insolvenz gut vorstellen“, berichtet Paul Niederkofler, Gründer und Senior Partner von SOL Capital. Der entscheidende Punkt, neben der überzeugenden Marktpositionierung und dem großen Forschungs- und Entwicklungsbereich, sei folgender gewesen: „Wir haben uns mit der Geschäftsleitung von Devolo und den Industriekunden zusammengesetzt und dabei wurde klar, dass insbesondere die Großkunden das Unternehmen durch die schwierige Phase begleiten werden. Diese Ernsthaftigkeit hat SOL nochmal bestärkt“, so Niederkofler. Radikalschlag im Geschäftsmodell von Devolo Der Interessensbekundung folgten Gespräche über Liquidität und die Neujustierung des Geschäftsmodells. Dieses musste radikal verändert werden. 5.000 Verkaufsstellen in ganz Europa, Außendienstteams, Vertriebsagenturen im Ausland, eigene Vertriebstöchter – „der stationäre Handel war der große Brocken“, erinnert sich Harbers. Er verschlang viel Geld, das mittelfristig nicht wieder reinkam. Die Entscheidung kam schnell und eindeutig: „Wir müssen den eigenen Außendienst sowie alle ausländischen Töchter aufgeben und uns vom Channel Marketing verabschieden“, so Harbers. „Es ist gut, jemanden an der Seite zu haben, der noch nicht in dem Branchensumpf steckt.“ Heiko Harbers, Gründer und Geschäftsführer von Devolo. Nun will sich Devolo neben dem nur noch online stattfindenden Consumerbereich auf Industriekunden konzentrieren und im Geschäftsfeld mit großen Internetanbietern nicht mehr mit den ganz großen Abnehmern arbeiten, sondern eher auf Stadtnetze setzen, die laut Harbers wesentlich proaktiver agieren. Darüber hinaus fokussiert sich das Unternehmen künftig noch stärker auf Anwendungen für die Digitalisierung des Stromnetzes, um den Energieverbrauch direkt sichtbar zu machen, und auf Module für E-Auto-Ladestationen, zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Ladestation und E-Auto. Per Asset Deal wanderte Devolo zu SOL Capital „Das neue Geschäftsmodell ist wesentlich kompakter, verfügt über ein geringeres Risikoprofil und ist aufgrund einer geringeren Kostenbasis deutlich profitabler aufgestellt“, subsumiert Ehlert. Zum April wurde Devolo schließlich im Rahmen eines Asset Deals an den Finanzinvestor verkauft, der 75 Prozent hält. Der Gläubigerausschuss stimmte dem Asset Deal zu, womit die Sanierung unter der Aufsicht von Rechtsanwältin Ruth Rigol von Pluta nach nur knapp vier Monaten abgeschlossen werden konnte. „Flexibilität in der Transformation ist entscheidend“ Wo vor Weihnachten noch 200 Mitarbeitende tätig waren, steuern nun 60 Mitarbeitende Devolo gen Zukunft. SOL Capital agiert als Sparringspartner der Geschäftsführung, die mit ihrer 25-prozentigen Eigenbeteiligung dennoch weiterhin die Entscheidungen trifft. „Es ist gut, jemanden an der Seite zu haben, der noch nicht in dem Branchensumpf steckt. Wir ergänzen uns gut“, so Harbers. Dass die Transformation von Devolo in ein positives Ergebnis mündete, begründet er mit der hohen Flexibilität im Prozess, die sich darin zeigte, zügig auf Marktgegebenheiten zu reagieren und schnell sowie offen mit allen Beteiligten zu kommunizieren. Nach 22 Jahren auf dem Markt hat der Mittelständler nach schwierigen Rückschlägen nun ein neues Kapitel aufgeschlagen – diesmal mit Private Equity.

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