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Wie sieht richtige Krisenfrüherkennung aus?

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Krisenfrüherkennung, Risikofrüherkennung, Risikomanagementsysteme – was genau verbirgt sich hinter den jeweiligen Begriffen?
Krisenfrüherkennung, Risikofrüherkennung, Risikomanagementsysteme – was genau verbirgt sich hinter den jeweiligen Begriffen? Foto: dontree - stock.adobe.com

Wer als Manager nicht in die Haftungsfalle geraten will, muss im Krisenfall nachweisen können, dass er die wichtigsten Risiken für sein Unternehmen im Blick hat. Doch das ist gar nicht so einfach: Zu den aus dem Aktienrecht bekannten Begriffen Risikofrüherkennung und Risikomanagement ist vor rund einem Jahr noch die Krisenfrüherkennung hinzugekommen. Sie wurde im StaRUG eingeführt, das in erster Linie für seine Regelungen eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens bekannt ist.

Die Verpflichtung zur Krisenfrüherkennung bezieht sich allerdings generell auf alle haftungsbeschränkten Unternehmensträger wie etwa GmbH & Co. KG – unabhängig davon, ob sie eine Restrukturierung anstreben oder nicht. Einige Unternehmenslenker könnten dies übersehen haben: „Das ist eine Generalnorm für alle Rechtsformen. Viele haben dies nicht im Blick“, mahnt Gerhard Osenberg, Partner bei der Interim-Management-Gesellschaft Executive Interim Partners, die häufig in Restrukturierungsfällen tätig ist.

Krisenfrüherkennung bis Risikomanagement: Was ist was?

Dies ist das eine Problem. Das zweite: Die Vielfalt an Begriffen im Bereich Risikovorsorge führt zu Verwirrung. Kann man die im StaRUG angeführte Krisenfrüherkennung mit Risikofrüherkennung gleichsetzen? Und wie verhält sich die Risikofrüherkennung zu einem Risikomanagementsystem? „Vereinfacht gesagt ist das Risikomanagementsystem das übergreifende System“, erklärt Albina Kladusak, Partner Internal Audit, Governance, Risk und Compliance bei Ebner Stolz. Dabei gehe es zunächst einmal darum, Risiken zu identifizieren, zu bewerten und zu steuern.

„Sowohl die Risikofrüherkennung als auch die Krisenfrüherkennung sind eine Teilmenge des Risikomanagementsystems.“

Albina Kladusak, Ebner Stolz

Die Risikofrüherkennung geht stärker in die Tiefe: „Sowohl die Risikofrüherkennung als auch die Krisenfrüherkennung sind eine Teilmenge des Risikomanagementsystems und zielen primär auf bestandsgefährdende Risiken ab“, sagt Kladusak. Diese müssen dann auch bewertet werden, um die Risikotragfähigkeit des Unternehmens zu bestimmen. Die Krisenfrüherkennung werde bislang in der Regel mit Risikofrüherkennung weitgehend gleichgesetzt, so ihre Beobachtung. „Das ist aber nicht final definiert.“

Geschäftsführer müssen Risiken identifizieren

Dass es für den Begriff Krisenfrüherkennung keine klare Definition gibt, birgt nach Einschätzung von Berater Osenberg ein Risiko für Geschäftsführer und Vorstände: „Das StaRUG gibt nur vor, dass Krisenfrüherkennung zu betreiben ist. Mit der Umsetzung werden die Verantwortlichen dann aber allein gelassen“, moniert er. Instrumentarien zur Identifizierung von Krisen, die in Paragraph 101 des StaRUG angekündigt wurden, lägen auch nach zwölf Monaten Gültigkeit des Gesetzes nicht vor.

„Ein Nachweis ist schwer zu erbringen, wenn nirgends steht, was überhaupt gefordert ist.“

Gerhard Osenberg, Executive Interim Partners

Osenbergs Sorge: „Wenn es zum Streitfall kommt, müssen Geschäftsführer rückwirkend nachweisen können, dass sie eine wirksame Krisenfrüherkennung betrieben haben, um nicht in die Haftung zu geraten. So ein Nachweis ist aber schwer zu erbringen, wenn nirgends steht, was überhaupt gefordert ist.“

Albina Kladusak rät Unternehmensverantwortlichen, in jedem Fall die Antworten auf drei Punkte parat zu haben: Sie sollten ihre Methodik zur Risikoidentifizierung darlegen können, die Bewertung dieser Risiken erläutern können und die Steuerungsmethodik aufzeigen können. „Wichtig ist, dass man die Risiken nicht nur identifiziert und bewertet, sondern auch nachweist, dass man geeignete Maßnahmen ergriffen hat, um beispielsweise die Liquiditätsposition zu verbessern“, betont sie. „Das muss man nachvollziehbar dokumentieren und vorweisen können.“

Früherkennung: Das sagen FISG und IDW

Um Ansatzpunkte zu finden, kann der Blick in bestehende Regelwerke helfen: So setzt das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) Leitlinien für Risikomanagementsysteme fest. Es gilt nur für börsennotierte Unternehmen, kann aber auch für andere Unternehmen Orientierung bieten. Auch die Prüfstandards für Wirtschaftsprüfer können Hinweise geben, welche Anforderungen erfüllt sein müssen: Der kürzlich überarbeitete IDW-Prüfstandard 340 macht Vorgaben zur Prüfung eines Risikofrüherkennungssystems, der Prüfstandard 981 erläutert die Grundelemente, die ein Risikomanagementsystem typischerweise vorweisen sollte.

An IDW-Standards wie dem Prüfstandard 340 und FISG-Vorgaben können sich Geschäftsführer orientieren, wenn sie ein Krisenfrüherkennungssystem einrichten. Eine Garantie dafür, dass die gefundene Lösung am Ende im Krisenfall vor Gericht Bestand hat, haben sie aber nicht, sagt Restrukturierungsberater Osenberg. Er rät mit Blick auf Haftungsrisiken daher: „Im Zweifel lieber übervorsichtig sein, die Liquidität noch stärker überwachen, Szenarien aufstellen, proaktiv Maßnahmen ergreifen und diese ausreichend dokumentieren.“ Krisenfrüherkennung bedeute daher auch Fleißarbeit: „Man muss sich die Orientierungspunkte aus den verschiedenen Quellen zusammensuchen.“

Allzu detaillierte Vorgaben sind bei Krisen- und Risikofrüherkennung schwierig – dafür unterscheiden sich die Anforderungen an ein geeignetes Monitoring je nach Unternehmensgröße, Branche und Komplexität zu stark. Einige Leitlinien wären dennoch hilfreich, findet Ebner-Stolz-Partnerin Kladusak. „Der Gesetzgeber könnte beispielsweise den Gesamtkontext klarer definieren: Was gehört zur Krisenfrüherkennung? Ist es mit Risikofrüherkennung gleichzusetzen? Das würde schon viel Unsicherheit herausnehmen.“