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Debatte um Galeria Karstadt Kaufhof: Das ist wichtig beim Schutzschirm

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Die Debatte um Galeria Karstadt Kaufhof hat einmal mehr gezeigt, dass es strenge Vorgaben für Schutzschirmverfahren gibt.
Wolfilser - stock.adobe.com

Nach Lockdown, Restrukturierung und erneutem Lockdown muss sich Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) derzeit mit schweren Vorwürfen auseinandersetzen. Die Warenhauskette, die im vergangenen Jahr ein Schutzschirmverfahren durchlaufen hat, sieht sich mit dem Vorwurf einer möglichen Insolvenzverschleppung konfrontiert.

Hintergrund der Vorwürfe ist eine Anzeige gegen die Warenhauskette. Sie kam einem Bericht des „Handelsblatt“ zufolge von einem Mitarbeiter, der darin behauptet, dass Sozialabgaben nicht mehr gezahlt worden seien. GKK soll angeblich schon im Januar 2020 einige Leistungen nicht mehr gezahlt haben, berichtet das „Handelsblatt“.

Das Problem dabei: Solche Zahlungsversäumnisse deuten auf Zahlungsunfähigkeit hin. GKK hat jedoch ein Schutzschirmverfahren durchlaufen, eine spezielle Ausprägung der Insolvenz in Eigenverwaltung. Und diese steht Unternehmen nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit offen – nicht aber, wenn diese bereits eingetreten ist.

Die Staatsanwaltschaft Essen hat im Dezember ein formelles Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Insolvenzverschleppung gegen GKK eingeleitet. Ein Ergebnis gibt es bisher nicht. GKK bestreitet die Vorwürfe.

Voraussetzungen für Schutzschirmverfahren

Der Fall zeigt, wie wichtig die Unterscheidung zwischen drohender und tatsächlicher Zahlungsunfähigkeit ist. Doch wie wird dies überhaupt festgestellt? Und wie können sich Unternehmen und Vorstände gegen Vorwürfe wie bei GKK absichern? Gerade mit Hinblick darauf, dass durch die Coronavirus-Krise immer mehr Unternehmen in Schieflage geraten und einige Experten nach der vorübergehend in bestimmten Fällen ausgesetzten Insolvenzantragspflicht eine Pleitewelle erwarten, sollten sich Unternehmen die Regeln des Schutzschirmverfahrens genau anschauen, wenn sie dieses in Betracht ziehen.

Die wichtigste Voraussetzung ist, dass allenfalls eine drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegen darf. Zum Zeitpunkt der Antragstellung muss ein Unternehmen noch zahlungsfähig sein. Das lässt sich nach definierten Kriterien überprüfen, erklärt Martin Heidrich, Partner für Restrukturierung und Insolvenzrecht bei Taylor Wessing: „Das Unternehmen guckt sich die Verbindlichkeiten und den finanziellen Deckungsgrad für die kommenden drei Wochen an. Wenn es mindestens 90 Prozent seiner Verbindlichkeiten decken kann, gilt es als zahlungsfähig.“ Andernfalls muss umgehend ein Insolvenzantrag gestellt werden, denn Zahlungsunfähigkeit ist ein Insolvenzgrund. Geschieht dies nicht, können Vorstände möglicherweise wegen Insolvenzverschleppung belangt werden.

So wird ein Schutzschirm angemeldet

Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt dagegen vor, wenn das Unternehmen schon absehen kann, dass innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine Verbindlichkeiten zu bezahlen. Im Gegensatz zur bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit besteht dabei keine Insolvenzantragspflicht.

Möchte ein Unternehmen wegen drohender Zahlungsunfähigkeit ein Schutzschirmverfahren einleiten, muss es sich diese von einem unabhängigen Sanierungsexperten bescheinigen lassen. „Das können Insolvenzverwalter, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Rechtsanwälte sein“, erklärt Thomas Hausbeck, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Buse. Eine gründliche Dokumentation sei dabei besonders wichtig.

Nachdem der Sanierungsexperte die drohende Zahlungsunfähigkeit bestätigt hat, wird das Schutzschirmverfahren bei Gericht beantragt und genehmigt. Dann hat das Unternehmen maximal drei Monate Zeit, gemeinsam mit einem Restrukturierungsexperten einen Restrukturierungsplan vorzulegen. Auch hier sollten Unternehmen laut Hausbeck bedenken, dass der Plan, gerade bei großen Unternehmen wie GKK oder Condor, das ebenfalls in vergangenem Jahr ein Schutzschirmverfahren anmeldete, Zeit braucht.

GKK hat die Dokumentationsanforderungen laut eigener Aussage beachtet. Ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer habe eine Bescheinigung erstellt, in der testiert worden sei, dass der Konzern bei Beantragung des Schutzschirm nicht zahlungsunfähig war, heißt es von dem Warenhauskonzern. Sonst wäre ein solches Schutzschirmverfahren auch rechtlich überhaupt nicht möglich gewesen, teilte der Anwalt von GKK mit. Das Verfahren sei darüber hinaus vom zuständigen Amtsgericht überprüft worden.

Haftungsfallen im Schutzschirmverfahren

Doch auch bei guter Vorbereitung drohen im Schutzschirmverfahren für die Verantwortlichen viele Haftungsfallen. Taylor-Wessing-Partner Heidrich sieht häufig in der Kommunikation zwischen Unternehmen und Sanierungsexperten Probleme. „Der Experte ist darauf angewiesen, dass das Unternehmen ihm alle Zahlen vorlegt.“ Doch mitunter würden dabei entscheidende Faktoren übersehen. So sollte das Management stets auch die längerfristige Durchfinanzierung des Unternehmens belegen können. „Wenn ein Kredit in ein paar Monaten ausläuft und die Verlängerung nicht gesichert ist, führt dies leicht zu einer Überschuldung und tatsächlichen Zahlungsunfähigkeit“, mahnt er. Dann müsste umgehend ein Insolvenzantrag gestellt werden. Sind solche Konstellationen bei Antragstellung bereits absehbar, wäre das Unternehmen kein Kandidat mehr für den Schutzschirm sondern eher für die Regelinsolvenz.

Neben der korrekten Beantragung spielt die Haftung eine große Rolle beim Schutzschirmverfahren. „Das Schutzschirm-Verfahren gibt es schon seit vielen Jahren, doch seit der Coronakrise wird es vermehrt beantragt“, hat Hausbeck, der auf Insolvenzrecht spezialisiert ist, beobachtet. In der Praxis könnten daher Streitigkeiten und Haftungsfälle künftig ebenfalls zunehmen.

Eine haftungsrechtliche Besonderheit beim Schutzschirmverfahren ist es, dass mehrere Parteien in das Verfahren involviert sind. „Die Geschäftsführung haftet bei Unregelmäßigkeiten auf jeden Fall, schließlich hat sie mit dem Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit primär die Interessen der Gläubiger im Blick zu haben“, konstatiert der Buse-Partner. Doch auch der Sanierungsexperte, der die Restrukturierbarkeit des Unternehmens bescheinigt, kann unter Umständen für eine fehlerhafte Bescheinigung in die Haftung geraten. Hausbeck nennt hier exemplarisch die Vereinbarung kurzfristiger Stundungen durch das eigentlich zahlungsunfähige Unternehmen, das sich auf diese Weise in die Zulässigkeit des Schutzschirms mogelt.

Galeria Karstadt Kaufhof: Wie geht’s weiter?

Beide Experten sind sich sicher: Gerade durch große Fälle wie Condor, Bonita oder GKK wird das Schutzschirmverfahren immer populärer. Vor allem für Unternehmen, deren Branche momentan unter der Coronakrise leidet, aber die sonst ein gesundes Geschäftsmodell haben, sei der Schutzschirm – wie auch das neue Verfahren der präventiven Sanierung – geeignet.

Was jetzt mit Galeria Kaufhof Karstadt passiert, ist noch unklar. Anfang 2021 hat der Bund dem unter dem verlängerten Lockdown leidenden Warenhauskonzern zunächst mit einem zweiten Kredit ausgeholfen.

sarah.backhaus[at]finance-magazin.de

Info

Mehr über die verschiedenen Sanierungsverfahren lesen Sie auf unserer Themenseite Insolvenz.

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Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Backhaus ist spezialisiert auf die Themen Restrukturierung, Transformation, Zahlungsverkehr und Cash Management. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalistin für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.