Navigieren im dichten Nebel: So stellt sich momentan die Lage um die drohende Insolvenz des bereits seit Jahren schwächelnden Flughafens Frankfurt-Hahn im Hunsrück dar. Einer der Gläubiger hat einen Insolvenzantrag gegen die Betreibergesellschaft des angeschlagenen Airports, die Frankfurt-Hahn GmbH, beim zuständigen Amtsgericht in Bad Kreuznach gestellt. Das bestätigte eine Sprecherin des Gerichts auf FINANCE-Anfrage. Der Antrag sei bereits am vergangenen Dienstag eingegangen und werde momentan bearbeitet. Nähere Angaben zu dem Gläubiger, der den Antrag gestellt hat, konnte das Gericht nicht machen.
Gericht will kommende Woche entscheiden
Mit einer Entscheidung des Gerichts über den Antrag ist voraussichtlich bis zum 10. Juli zu rechnen. Die Richterin habe vom Antragssteller noch weitere Unterlagen zur Prüfung angefordert, die dieser binnen zwei Wochen vorlegen muss, teilte das Amtsgericht mit. Würde der Antrag angenommen, würde das Insolvenzverfahren über die Betreibergesellschaft von Deutschlands sechstgrößtem Flughafen eingeleitet.
In Deutschland kommt es in der Praxis selten vor, dass nicht der Schuldner selbst, sondern einer seiner Gläubiger den Insolvenzantrag stellt. In der Regel stellt das Management des betroffenen Unternehmens selbst bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag – allein schon aus Haftungsgründen, um sich später nicht dem Vorwurf einer möglichen Insolvenzverschleppung ausgesetzt zu sehen.
Bei externen Antragstellern handelt es sich häufig um öffentliche Institutionen wie Krankenkassen oder das Finanzamt. Anträge durch private Gläubiger kommen in der Praxis seltener vor, da die Anforderungen an einen solchen Fremdantrag sehr hoch sind. So muss der Gläubiger dem Gericht das Vorliegen einer Forderung sowie einen Insolvenzgrund glaubhaft machen und ein besonders Rechtsschutzinteresse nachweisen – dies kann sich beispielsweise daraus begründen, dass dem Gläubiger eine Zahlung durch den Schuldner zusteht. Zudem bleibt bei Drittanträgen für den Antragsteller ein finanzielles Risiko, da er bei einem abgewiesenen oder zurückgenommenen Antrag auch die Gerichtskosten trägt.
Diese Hürden sollen verhindern, dass Drittanträge genutzt werden, um unliebsame Geschäftspartner oder Wettbewerber durch ungerechtfertigte Insolvenzanträge unter Druck zu setzen oder aus dem Geschäft zu drängen.
Hahn-Eigner HNA rutscht in die Insolvenz
Der Drittantrag gegen den Flughafen Hahn folgt nur wenige Monate, nachdem die finanziellen Probleme bei der krisengeschüttelten chinesischen Eigentümergesellschaft HNA eskaliert sind. Der chinesische Großkonzern, zu dem zeitweise rund 2.300 Unternehmen gehörten, war in der Vergangenheit durch überwiegend kreditfinanzierte Zukäufe enorm gewachsen. Bis Mitte 2019 hatte die HNA so einen Schuldenberg von umgerechnet etwa 90 Milliarden Euro angehäuft. Bereits Ende Januar dieses Jahres hatten Gläubiger Insolvenzantrag gegen die HNA gestellt, deren stark auf Luftfahrt ausgerichtetes Portfolio durch Corona in Schieflage geraten war.
Der Flughafen Hahn gehört der HNA seit dem Einstieg im Jahr 2017 zu 82,5 Prozent. Rund 15 Millionen Euro hatte der chinesische Konzern damals bezahlt. Die übrigen 17,5 Prozent der Anteile hält das Land Hessen.
Hahn-Geschäftsführung will beruhigen
In Hahn sah man sich Anfang Februar trotz der Probleme bei HNA offenbar weiterhin gut aufgestellt, wie ein Schreiben der Geschäftsführung an die Beschäftigten des Airports damals vermuten ließ, aus dem die Nachrichtenagentur dpa zitierte. So hieß es unter anderem: „Die in China eingeleiteten Maßnahmen haben keine Auswirkung auf Ihre Tätigkeit. An unserer Zusammenarbeit mit allen Airlines, Kunden, Behörden und Partnern wird sich nichts ändern.“
Demnach würde die Neuausrichtung von HNA den Betrieb in Hahn nicht betreffen, die Gesellschaft werde auch in Zukunft ihre Verpflichtungen unverändert erfüllen. Die Einschätzung der Situation dürfte sich inzwischen geändert haben, wie der zur Prüfung beim Amtsgericht Bad Kreuznach liegende Antrag vermuten lässt.
Info
Update 5.7.2021: Gläubiger zieht Insolvenzantrag zurück
Wie am Montag, den 5.7., bekannt wurde, hat der unbekannte Gläubiger seinen Insolvenzantrag gegen den Flughafen Hahn ohne Angabe von Gründen zurückgezogen.
Thomas Holzamer ist Redakteur bei FINANCE sowie Chef vom Dienst bei FINANCE-Online und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Banken-Sektor, speziell das Firmenkundengeschäft. Er hat Politikwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt studiert. Vor FINANCE arbeitete Thomas Holzamer mehr als 12 Jahre in den Redaktionen der Mediengruppe Offenbach-Post, zunächst als verantwortlicher Redakteur für Sonderpublikationen, später im Lokalen.