Quo vadis, CO2-Preis?

Der Preis von sogenannten europäischen Emissionsberechtigungen (EUA), auch CO2-Zertifikate genannt, könnte bald deutlich anziehen, so die Prognose von Arne Rahner, Leiter Financial Markets von Berenberg. Bisher liegen die Kosten für die Berechtigungen noch bei rund 73 Euro pro Tonne ausgestoßenem CO2. Doch das dürfte sich seiner Meinung nach mit der Ausweitung des EUA-Handels auf die Schifffahrt im kommenden Jahr ändern. „Ich rechne damit, dass unter anderem durch die jährliche Verknappung der EU-Allowances um 4,3 Prozent durch die EU und die sukzessive Erweiterung um die Schifffahrt, nachfragebedingt die CO2-Preise im Laufe des Jahres 2024 auf 90 bis 95 Euro pro Tonne steigen werden“, erläutert Rahner. „Die CO2-Preise werden im Laufe des Jahres 2024 auf 90 bis 95 Euro pro Tonne steigen.“ Arne Rahner, Leiter Financial Markets von Berenberg Schifffahrt neu im EUA-Handel Bei der Schifffahrt wird es – anders als bei anderen Branchen – keine kostenlosen Zertifikate geben. Allerdings gibt es eine Einführungsperiode in den Jahren 2024 und 2025. Erst ab 2026 besteht für den Seeverkehr eine Abgabepflicht auf 100 Prozent der Emissionen. Dann ist auch ein weiterer Anstieg möglich: „Durch die stetige Reduzierung der Allowances sowie die vollumfängliche Integration der Schifffahrt 2026 in den Kauf der Berechtigungen und das Hinzukommen weiterer Industrien, können die CO2-Preise im Jahr 2026 auf rund 120 Euro pro Tonne steigen“, prognostiziert Berenberg-Banker Rahner. EUA-Handel wird ausgeweitet Und es gibt weitere Faktoren, die die Preise beeinflussen. Zum einen wird der EUA-Handel ab 2027 auf den Straßenverkehr und Gebäude ausgeweitet. Zum anderen erhöht die EU-Kommission den linearen Reduktionsfaktor, sprich die Zahl der verfügbaren Zertifikate sinkt schneller. So wird die jährliche Reduktion der Zertifikate ab 2024 von 2,2 Prozent auf 4,3 Prozent gesteigert. Ab 2028 erfolgt eine Erhöhung auf 4,4 Prozent. Zugleich erfolgt ein sogenanntes Rebasing, das sind einmalige Reduktionen in den Jahren 2024 und 2026. Durch diese Senkungen soll der niedrigere lineare Reduktionsfaktor aus den Jahren 2021 bis 2023 ausgeglichen werden. Im Jahr 2024 wird die europaweite Emissionsobergrenze (Cap) um 90 Millionen Zertifikate abgesenkt und 2026 um 27 Millionen Zertifikate. Um dem Einbinden des Seeverkehrs Rechnung zu tragen, wird die Cap im Jahr 2024 um 78,4 Millionen Zertifikate erhöht. Dennoch sinkt die Cap insgesamt also noch deutlicher, obwohl der Schiffsverkehr aufgenommen wird. Kostenlose Zertifikate laufen aus Eine weitere Verschärfung betrifft die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten. Diese wird für die Industrie ab 2026 stark eingeschränkt und schließlich auf null reduziert. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft erhielten Industrieunternehmen im Jahr 2021 insgesamt 79 Prozent ihrer Emissionsberechtigungen kostenlos. Fallen die kostenlosen Zuteilungen vollständig weg, würde dies für die Industrie Kosten für Emissionsrechte im Wert von derzeit 7,5 Milliarden Euro bedeuten. Auch beim Luftverkehr laufen Ende 2025 die kostenlosen Zuteilungen aus. Thilo Schäfer, Leiter des Clusters Digitalisierung und Klimawandel beim Instituts der deutschen Wirtschaft, bemerkt zur Entwicklung des CO2-Preises allerdings: „Die wichtigste und gleichzeitig am schwierigsten einzuschätzende Einflussgröße ist die wirtschaftliche Entwicklung, durch die die Nachfrage der Unternehmen nach Emissionsberechtigungen entscheidend beeinflusst wird.“ „Die wichtigste Einflussgröße ist die wirtschaftliche Entwicklung.“ Thilo Schäfer, Leiter des Clusters Digitalisierung und Klimawandel, Instituts der deutschen Wirtschaft EUA-Preis steigt Schon im ersten Quartal von 2023 überschritt der EUA-Preis erstmals die 100-Euro-Marke und erreichte damit den höchsten Stand seit Beginn des europäischen Emissionshandels im Jahr 2005. Die an der Energiebörse (EEX) gehandelten Futures gehen derzeit für Anfang 2024 eher von einem Preis zwischen 71 und 75 Euro aus. Banker Rahner rechnet damit, dass die Volatilität im Emissionshandel im kommenden Jahr unter anderem durch die neuen Teilnehmer sowie weitere politische Entscheidungen steigen wird. Diese hatte sich zuletzt um die 20 Prozent eingependelt, im Durchschnitt liegt sie aber höher. In den Vorjahren wurde meist eine Volatilität von rund 40 Prozent erreicht. Preis der EU-Allowances Der Preis der EUA ist entscheidend für die Unternehmen. Für die Industrie insgesamt beliefen sich die Kosten des Emissionshandels 2021 nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) auf etwa 1,4 Milliarden Euro. 2022 lagen sie bei niedrigeren Emissionsmengen und höheren Preisen fast auf gleicher Höhe. Ein Rechenbeispiel des IW zeigt, wie stark sich steigende EUA-Preise auswirken: Bei gleichen Emissionen wie 2021 würden bei einem Preis von 80 Euro je Tonne weitere 660 Millionen Euro hinzukommen. Ebenso würden sich zusätzliche Kosten ergeben, wenn die kostenlosen Zertifikate entfallen. Besonders hart würde dies dem IW Köln zufolge die Eisen- und Stahlbranche treffen. Auf die Zement- und Chemieindustrie würden ebenfalls Kosten in Milliardenhöhe zukommen. Auch beim Klimagipfel in Dubai wird das Thema heiß diskutiert. Viele Länder sind mit dem zum 1. Oktober eingeführten Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) nicht zufrieden. Dieser CO2-Grenzausgleich der EU sieht vor, dass auf die Einfuhr energieintensiver Produkte in die Union Sonderabgaben zu zahlen sind, um den Wettbewerbsnachteil europäischer Unternehmen, der durch den Kauf von CO2-Emissionszertifikaten entsteht, auszugleichen.

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