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Wichtige Änderungen bei präventiver Sanierung

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Der Bund hat wichtige Änderungen bei mehreren Restrukturierungs- und Insolvenzmaßnahmen beschlossen.
1STunningART – stock.adobe.com

Die präventive Sanierung kommt – aber anders als gedacht. Das beschloss der deutsche Bundestag in seiner gestrigen Sitzung. Ab Januar 2021 können sich finanziell angeschlagene Unternehmen nun über ein neues Restrukturierungsverfahren sanieren, das vor der Insolvenz ansetzt. So sieht es das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (Starug) vor, das zum Jahreswechsel in Kraft tritt.

Zwischenzeitlich war eine Verschiebung des Gesetzes auf April gefordert worden, weil einige Punkte noch überarbeitet werden sollten. Das betraf unter anderem die Frage, wie man das neue Verfahren mehr auf kleine und mittelständische Unternehmen ausrichten könne. In der ersten Fassung sei es für sie zu komplex und teuer gewesen, bemängelte Die Grünen und FDP. Werde der Gesetzesentwurf zu schnell durchgepeitscht, drohten Fehlkonstruktionen.

„Schnell durchgepeitscht“ wurde das Instrument jetzt doch, allerdings mit einigen Änderungen in letzter Minute. Diese kommen allerdings nicht dem Mittelstand zugute, sondern setzen an ganz anderen Punkten an.

Option Vertragsbeendigung ist vom Tisch

Die erste Änderung betrifft den Punkt Vertragsbeendigung. Vorgesehen war eigentlich, dass kriselnde Unternehmen, die die präventive Sanierung nutzen, vor Gericht einen Antrag stellen können, um langlaufende und noch nicht gegenseitig erfüllte Verträge zu beenden. Dies sollte etwa für Mieten oder Lieferverbindlichkeiten gelten. Mit dem Instrument der Vertragsbeendigung hätten die Unternehmen neben dem Aufstellung eines Restrukturierungsplans einen weiteren Ansatz zur Sanierung bekommen.

Der Bund hat den Punkt allerdings in letzter Sekunde gestrichen. Dies hätte bei Vertragspartnern zu einer zu hohen Unsicherheit geführt, so die Begründung. Leo Plank, Vorstand der Gesellschaft für Restrukturierungen (TMA) sieht in der Streichung des Rechts zur vorzeitigen Vertragsbeendigung allerdings „eine verpasste Chance“. Das Verfahren werde nun auf die finanzielle Restrukturierung beschränkt, Verträge müssten wie bisher außerhalb der Insolvenz neu verhandelt werden.

Ähnlich sieht das Wolfram Lenzen, Partner der Unternehmensberatung Falkensteg. Er sieht vor allem für von der Coronavirus-Krise betroffene Unternehmen Nachteile: „Gerade für den Einzelhandel, der von beiden Lockdowns stark betroffen ist, fehlt nun ein Sanierungsinstrument.“ Generell begrüßt er das neue Gesetz jedoch: „Das Starug wird die Restrukturierung deutlich vereinfachen, denn es bietet dem Schuldner, der sich bisher außergerichtlich sanieren wollte, mehr Einflussmöglichkeiten.“

Präventive Sanierung: Gerichte gewinnen an Bedeutung

Die Option der Vertragsbeendigung hätte vor allem für die Gerichte eine größere Rolle in dem neuen präventiven Verfahren bedeutet. Kritiker befürchteten allerdings, dass die Gerichte noch nicht genug vorbereitet seien. Auch dies trug zu den Überlegung für einer Verschiebung des Gesetzes bei.

„Die Gerichte können sich aber nicht zu früh freuen, es warten noch komplizierte Fragestellungen auf sie“, glaubt Burkhard Jung, Geschäftsführer der Beratung Restrukturierungspartner. Denn durch das präventive Verfahren wird ihre Rolle bei Sanierungen ohnehin aufgewertet.

Zu den Vorteilen der präventiven Sanierung gehört zwar, dass auch gegen den Willen einzelner Gläubiger Maßnahmen durchgesetzt werden können. Allerdings muss jeder Restrukturierungsplan, dem nur 75 Prozent aller Gläubigergruppen zustimmen müssen, eine Vergleichsrechnung beinhalten, die zeigt, warum der Restrukturierungsplan der beste für das Unternehmen ist. „Ich schätze, dass die 25 Prozent, die eventuell nicht zustimmen, ihre Einwände bei der Vergleichsrechnung ansetzen werden und die Gerichte sich dann damit beschäftigen müssen“, so Jung.

Haftungsregeln bei Starug gelockert

Die zweite Änderung ist für die Unternehmen eine sehr positive, denn die Haftungsregeln für die Geschäftsführung wurden gelockert. Ursprünglich sah das Starug vor, dass die Geschäftsführung haften soll, wenn sie sieht, dass das Unternehmen in den nächsten zwei Jahren möglicherweise zahlungsunfähig werden könnte. „Das ging zu weit und trifft auf viel zu viele Unternehmen zu. Die Änderung ist gut“, findet Jung von Restrukturierungspartner.

Als letzte Änderung wurde erlassen, dass es einen Gläubigerbeirat geben muss, wenn die Forderungen aller Gläubiger durch einen Restrukturierungsplan gestaltet sind. Dieser Beirat wird vom Gericht gestellt. „Dass Gläubiger früh mitdiskutieren können, hebt den Prozess auf eine andere Ebene“, erklärt Jung, der die Anpassung begrüßt.

Alexandra Schluck-Amend von der Wirtschaftskanzlei CMS sieht das kritischer: „Das als schnell und flexibel vorgesehene Sanierungsverfahren wird durch die Einführung des Gläubigerbeirats an die Vorgaben des Insolvenzverfahrens angenähert. Hier ist Vorsicht geboten: Viele Köche verderben ja bekanntlich gerne den Brei.“

CovinsAG wird um einen Monat verlängert

Genauso wichtig wie die Änderungen bei der präventiven Sanierung sind auch Neuerungen bei den Instrumenten Sanierung in Eigenverwaltung und dem Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (CovinsAG). So bleibt die Insolvenzantragspflicht bis mindestens Ende Januar 2021 ausgesetzt. Voraussetzung ist, dass die Unternehmen im November oder Dezember den Antrag auf Aussetzung gestellt haben. Auch hier gilt, dass die Schieflage durch das Coronavirus verursacht wurden muss.

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Sanierungsexperte Jung sieht die Erweiterung kritisch: „Sehr viele Unternehmen schieben alles auf die Coronakrise.“ In der Praxis sei jedoch schwer zu beurteilen, ob die Schieflage wirklich auf die Pandemie zurückzuführen sei. Hinzu kommt: Das Unternehmen muss zeigen, dass es das kommende Jahr überstehen kann. „Aber auf welcher Basis soll das in dieser ungewissen Zeit beurteilt werden?“, lautet die rhetorische Frage des Sanierungsexperten. Gerade in Branchen wie Handel und Automotive hätte es schon vor Corona andere negative Effekte gegeben.

Sanierung in Eigenverwaltung wird 2021 geändert

Die letzte Änderung betrifft die Sanierung in Eigenverwaltung. Hier soll es im neuen Jahr zwei Möglichkeiten geben, diese zu beantragen – je nach Situation des Unternehmens. CFOs, die 2021 aufgrund der Coronakrise einen Insolvenzantrag stellen, haben einen leichteren Zugang zur Eigenverwaltung. Sie müssen nicht nach den neuen Regeln, die zum Beispiel die Verhandlung mit Gläubigern betrifft, sondern nach dem alten Recht das Verfahren beantragen.

Im nächsten Jahr wird es also zwei Antragsmöglichkeiten für die Eigenverwaltung geben. „Diese Änderung finde ich unglücklich, das ist viel zu komplex. Auch für die Restrukturierungsberater ist das schwierig, alleine die Entscheidung, wann man durch Corona geschädigt ist und wann nicht“, mahnt Jung.

sarah.backhaus[at]finance-magazin.de

Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Backhaus ist spezialisiert auf die Themen Restrukturierung, Transformation, Zahlungsverkehr und Cash Management. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalistin für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.