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Wird das Unternehmensstrafrecht bald Realität für CFOs?

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Unternehmen werden – wie natürliche Personen – strafrechtlich belangt. Was noch fremd klingt, könnte hierzulande bald Realität werden.
William Potter/iStock/Getty Images Plus

Ein Unternehmen wird sanktioniert, bestraft oder für ein Fehlverhalten belangt: Diese Formulierungen mögen in den Ohren mancher CFOs merkwürdig klingen, schließlich können Unternehmen in Deutschland juristisch betrachtet strenggenommen gar keine Straftaten begehen. Das Fehlverhalten eines Unternehmens wird hierzulande als Ordnungswidrigkeit gewertet und dementsprechend mild sanktioniert – mit Geldbußen in Höhe von maximal 10 Millionen Euro.

Unternehmensstrafrecht wird schärfer als gedacht

Ein echtes Unternehmensstrafrecht, das die Rechtslage verschärft, könnte aber schon bald Realität werden: Nach jahrelangen Diskussionen und zahlreichen eher wenig beachteten Entwürfen von Seiten des Gesetzgebers und von Rechtsexperten liegt mit dem sogenannten „Münchner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes“ jetzt wieder ein neuer Vorschlag zum Unternehmensstrafrecht vor.

Der 150-seitige Entwurf von Wissenschaftlern und Juristen zeigt konkreter als seine Vorgänger, wie ein deutsches Unternehmensstrafrecht künftig ausgestaltet sein könnte. Nach einer Verabschiedung durch Bundestag und -rat könnte ein finales Gesetz 2022 in Kraft treten. Dass das Unternehmensstrafrecht kommen wird, darüber sind sich Rechtsexperten mittlerweile einig, ebenso darüber, dass es der „Münchner Entwurf“ in sich hat: Er verlangt nach einer weiteren Konkretisierung der bereits existierenden Gesetzes- und Referentenentwürfe.

Unternehmen drohen zwanzigmal höhere Strafen

Zentraler Kritikpunkt an den aktuellen Regelungen des Ordnungswidrigkeitengesetzes: Kleine Unternehmen mit niedrigen Umsätzen werden benachteiligt, während die Maximalsanktionen für größere, umsatzstarke Unternehmen in den Augen des Gesetzgebers nicht ausreichend sind.

Dem „Münchner Entwurf“ nach sollen nun kleine Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von höchstens 10 Millionen Euro von dem Verbandssanktionengesetz ganz ausgenommen werden. Größere Unternehmen fielen hingegen unter das neue Gesetz: Bei einem fahrlässigen Fehlverhalten sieht dieses eine maximale Buße von 10 Millionen Euro vor, bei vorsätzlichem Fehlverhalten können es sogar 20 Millionen Euro werden.

Das ist nicht alles, weiß Kerstin Wilhelm, Rechtsanwältin bei Linklaters: „Insgesamt ist eine Art Staffelung vorgesehen: Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 500 Millionen und 2 Milliarden Euro können in der Spitze mit bis zu 40 Millionen Euro sanktioniert werden, Konzernen mit Umsätzen darüber drohen sogar bis zu 200 Millionen Euro.“ Hinzu kämen noch Gewinnabschöpfungen, die zusätzlich zu der Geldsanktion möglich sind. Und diese können erheblich sein, wie beispielsweise der Fall Daimler im Zusammenhang mit den Dieselmanipulationen zeigt.

Legalitätsprinzip brächte strengere Ermittlungen

Angemessene Sanktionen sind nicht die einzige Forderung des Münchner Entwurfs: „Aktuell liegt es im Ermessen der Behörden, ob Untersuchungen gegen Unternehmen eingeleitet werden“, erläutert Wilhelm. Es gilt das Opportunitätsprinzip des Ordnungswidrigkeitenrechts.

Von diesem wollen sowohl der Referentenentwurf des Ministeriums als auch der Münchner Entwurf abrücken. Sie fordern die Einführung des Legalitätsprinzips: „Dies bedeutet, dass ermittelt werden muss, wenn es den Anfangsverdacht einer Straftat gibt.“ Von der Einhaltung des Prinzips zurücktreten dürfen die Behörden allein in Ausnahmefällen – die dem Entwurf zufolge beispielsweise dann vorliegen, wenn der Schwerpunkt der Verfehlungen im Bereich individueller Verantwortlichkeiten liegt.

Gute Compliance kann Strafen senken

In einem Punkt wären die Initiativen aber eine Verbesserung für CFOs: Es sollen konkrete Anreize zur Aufklärung von Fehlverhalten in Unternehmen geschaffen werden – und unter diesen sind auch Strafmilderungen vorgesehen.

So sieht etwa der Referentenentwurf des Ministeriums vor, dass Unternehmen in den Genuss einer Strafmilderung kommen können – zum Beispiel dann, wenn sie im Rahmen unternehmensinterner Untersuchungen bei der Aufklärung des Falls kooperieren. „Hier ist eine Reduktion der Geldbuße um bis zu 50 Prozent möglich“, so Wilhelm.

Auch soll beim Nachweis von Compliance-Maßnahmen die Möglichkeit bestehen, ein Unternehmen lediglich zu verwarnen. Indes: Was geeignete Compliance-Maßnahmen sind, führt der Referentenentwurf nicht aus. Auf diesen Mangel reagiert der „Münchner Entwurf“: Er nennt als geeignete Maßnahmen einer sogenannten „Criminal Compliance“, bei deren Vorliegen es sogar zum Absehen von Sanktionen kommen können soll, unter anderem die sorgfältige Auswahl und Überwachung von Mitarbeitern, sowie das Bereithalten eines Whistleblowing-Systems.

olivia.harder[at]finance-magazin.de

Info

Manipulierte Bilanzen, Korruption oder Kreditbetrug: Noch geraten immer wieder CFOs in das Visier der Ermittlungsbehörden. Das könnte sich mit einem Unternehmensstrafrecht ändern. Die wichtigsten Informationen rund um das Thema Haftung finden Sie auf der Themenseite CFO-Haftung.

Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE sowie Chefin vom Dienst bei FINANCE-Online und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.