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Restrukturierungsdruck im Gesundheitssektor nimmt zu

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Die Zahl der Insolvenzen im Gesundheitssektor wird steigen. Für eine erfolgreiche Restrukturierung spielt auch der politische Wille der Gremien vor Ort eine Rolle.
upixa - stock.adobe.com

Auf den ersten Blick scheint die Situation nicht so schlecht: Das Jahr 2020 wird für viele deutsche Krankenhäuser trotz der außergewöhnlichen Belastungen durch die Coronavirus-Pandemie ein wirtschaftlich erfolgreiches Jahr werden. Die „Freihaltepauschale“, die Kliniken über das Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz für jedes leerstehende Bett erhalten, kompensiert Ausfälle, die mit dem Corona-bedingten Rückgang der stationären Fälle einhergehen.

Soweit also alles gut im Gesundheitssektor? Leider nicht. Das „New Normal“ nach der Hochphase der Pandemie stellt die Zukunftsfähigkeit vieler Krankenhäuser, Kliniken und Reha-Einrichtungen und damit die Sicherheit zahlreicher Arbeitsplätze in der Branche in Frage. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflichten  hat dazu beigetragen, dass die Zahl der Insolvenzen von Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen bislang überschaubar blieb. Doch der „Krankenhaus Rating Report 2020“ erwartet spätestens 2022 eine „Rückkehr zum Status 2019“ bei Insolvenzen sowie bis 2025 einen signifikanten Rückgang der Krankenhäuser im grünen Rating-Bereich auf nur noch 54 Prozent.

Im Klartext: Die Krankenhausbranche steht vor einer Verschärfung der schon länger andauernden Krise. Ein Anstieg der Insolvenzfälle in der Branche ist mehr als wahrscheinlich.

Zwei Wege zur Restrukturierung

Doch wie sehen Restrukturierungsmöglichkeiten aus? Schließungen von Gesundheitseinrichtungen sind den Bürgern vor dem aktuellen Hintergrund der gesellschaftlichen Debatte rund um Corona kaum zu vermitteln. Grundsätzlich stehen daher zwei Optionen bei der Sanierung von Krankenhäusern im Fokus: Die vorinsolvenzliche Sanierung oder die Sanierung im Insolvenzverfahren. Dabei wird eine Sanierung im Insolvenzverfahren aufgrund der speziellen Aufstellung von Krankenhäusern in der Praxis regelmäßig als Eigenverwaltungsverfahren ausgestaltet.

Die Grundlage für eine vorinsolvenzliche Sanierung liefert üblicherweise ein Sanierungskonzept nach IDW S6. Für die Neuausrichtung müssen die beteiligten Kreditinstitute sowie die Gesellschafter häufig Darlehen verlängern oder neue Liquidität ins Unternehmen geben. Die Stakeholder können dann, etwa im Rahmen einer doppelnützigen Treuhand, an einem Sanierungserfolg partizipieren und etwa über eine entsprechende Gestaltung im Treuhandvertrag sicherstellen, dass der Fortschritt der Restrukturierung durch einen CRO überwacht wird.

Eigenverwaltung bietet Vorteile

Für Krankenhäuser und Kliniken bietet sich allerdings insbesondere die Eigenverwaltung in Kombination mit einer Sanierung im Insolvenzplanverfahren an. Ein Vorteil liegt darin, dass bei diesem Vorgehen der Krankenhausträger erhalten bleiben kann. Damit bleiben auch die bereits geschlossenen Budgetvereinbarung mit den Krankenkassen sowie die Aufnahme in den Landeskrankenhausplan bestehen.

„Für Krankenhäuser und Kliniken bietet sich die Eigenverwaltung an.“

Bei einer Insolvenz in Eigenverwaltung geht es dann zunächst darum, den Klinikbetrieb fortzuführen und das Fachpersonal an Bord zu halten. Daneben ist die Suche nach Investoren ein wesentlicher erster Schritt. Bei der Übernahme eines Krankenhauses aus der Insolvenzmasse sollten neben insolvenzrechtlichen Besonderheiten auch die politischen Hintergründe genau bedacht werden: Neben einem tragfähigen Sanierungskonzept spielt der politische Wille von Stadt oder Landkreis zum Erhalt der medizinischen Versorgung vor Ort – im Zuge einer Rekommunalisierung – eine entscheidende Rolle.

Best-Practice-Beispiel: Klinikum Peine

Wie eine Sanierung über eine erfolgreiche Rekommunalisierung aussehen kann, zeigt das Beispiel des Klinikums Peine. Dieses hatte im März einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt. Mit der Rekommunalisierung zum 1. Oktober wurde die Sanierung abgeschlossen.

Eine solche erfolgreiche Rekommunalisierung bietet Chancen, ist aber gleichzeitig mit Hürden verbunden. Ist der politische Wille zum Erhalt dokumentiert, etwa durch Beschluss des Kreistages oder des Stadtrates, gilt es zunächst, eine Vielzahl von Vorbereitungen zu treffen, die eben nicht in das „politische Alltagsgeschäft“ fallen – und das birgt Risiken

Zunächst einmal müssen sich die Sanierer mit den Gläubigern des Krankenhausträgers auf den Umgang mit besicherten und unbesicherten Verbindlichkeiten verständigen. Für die kommenden Jahre müssen zudem Liquiditätsbedarf und Erträge sorgfältig geplant werden. Die erforderlichen Mittel, die das Krankenhaus künftig voraussichtlich benötigt, müssen von den Trägern im Haushalt genehmigt und bereitgestellt werden.

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Restrukturierung

Sparprogramme, Verlagerungen, Bilanzsanierung: Kaum ein Unternehmen kommt über die Jahre ohne eine Restrukturierung aus. Für Sanierungsberater ist das ein gutes Geschäft.

Bei Sanierungen in dieser Branche muss zudem ein Medizinkonzept erarbeitet werden. Für den Zeitraum nach der Übernahme muss sichergestellt sein, dass die Leitungspositionen dauerhaft besetzt werden können.

Abstimmungen erfordern Zeit

In all diese Entscheidungen müssen bei Restrukturierungen im Zuge einer Rekommunalisierung immer auch die jeweiligen politischen Gremien eingebunden werden. Dieser Prozess ist zeitintensiv. Im Einzelfall kann auch eine Verlustausgleichsvereinbarung helfen, um Zeit zu gewinnen und den Fortbetrieb des Klinikums zu sichern, bis die Übertragung abgeschlossen ist.

„In Entscheidungen müssen auch die politischen Gremien eingebunden werden.“

Die Übertragung selbst erfolgt schließlich im Rahmen eines Insolvenzplans, dem die Gläubigerversammlung zustimmen muss. Nach der Übertragung der Gesellschaftsanteile des Krankenhauses an den neuen öffentlichen Eigentümer hat das Klinikum dann die Chance, sich mit einem neuen und tragfähigen Fundament sowie einem starken medizinischen Konzept erfolgreich unter den Rahmenbedingungen des „New Normal“ zu etablieren und erfolgreich zu wirtschaften.

Die Sanierung des Klinikums in Peine – mit einer zielorientierten und erfolgreichen Arbeit in der Eigenverwaltung – liefert ein Beispiel, das wegweisend für viele noch folgende Restrukturierungen im Gesundheitssektor sein kann.

Dr. Malte Köster ist Partner und Fachanwalt für Insolvenzrecht bei WillmerKöster.