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Wie man Markenrechte für erfolgreiche Distressed-Deals zurückholt

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Im Handel reiht sich im Regal Marke an Marke. Doch was tut man bei Distressed M&A-Deals, wenn die Markenrechte an Eigenmarken nicht mehr frei verkäuflich sind?
Robert Kneschke – stock.adobe.com

Eigenmarke und Handelsunternehmen, das gehört zusammen, wenn über den Verkauf eines Unternehmens nachgedacht wird oder – im Fall von Distressed M&A – nachgedacht werden muss. Schließlich ist eine starke Marke ein wesentlicher Bestandteil des Kaufpreises. Bei Due-Diligence-Prozessen rückt dieser Punkt daher regelmäßig in den Fokus.

Wenn Handelsunternehmen aber gar nicht mehr über die Rechte an ihren Marken verfügen, liegen die Probleme auf der Hand. Erwerbsinteressenten haben vor allem die „Strahlkraft“ der Marke und damit verbundene Marktchancen im Blick. Dafür braucht es zudem eine funktionsfähige Einkaufs- und Vertriebsstruktur sowie entsprechendes Umsatzpotential. Auf den Punkt gebracht: Entfällt die Marke, entwertet dies das Unternehmen. Hakt es bei Einkauf und Vertrieb, entwertet dies die Marke.

In der Praxis fragen potentielle Investoren bei Distressed M&A vor allem in Insolvenzverfahren häufig sogar nach einem Kaufpreis „nur für die Marke“. Das Kaufangebot bleibt dann aber oft deutlich unter den Vorstellungen des Verkäufers, da der Kaufinteressent den teuren Wiederaufbau der Marke einkalkuliert. Daher kommen solche Transaktionen selten zum Abschluss.

Markenrechte und Unternehmenswert

Letztlich sind Markenrechte und Unternehmenswert voneinander abhängig. Wie kann es da sein, dass Handelsunternehmen vielfach gar nicht über alle Markenrechte verfügen? Die Gründe hierfür vielfältig. Teils sind Schutzrechte für eine Marke ausgelaufen oder wurden nicht eingetragen. Manchmal hält auch nicht das Unternehmen die Markenrechte, sondern diese liegen unmittelbar beim Gesellschafter.

Nicht zuletzt können immaterielle Vermögenswerte wie Markenrechte auch als Kreditsicherheit dienen, speziell wenn klassische Sicherheiten wie beispielsweise Immobilien nicht mehr zur Verfügung stehen. Auch eine „eingetragene Marke“ ist ein Vermögensgegenstand, der übertragen und belastet werden kann – allerdings kann der Schuldner dann nicht mehr frei über seine Marke verfügen.

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Unklarheiten gefährden Sanierungen

Ist die Zuordnung der Markenrechte unklar, verzögert dies in aller Regel den laufenden Investorenprozess. Besonders bei Distressed-M&A-Transaktionen ist dies ein kritischer Punkt.

Speziell in einer Insolvenz sind die Fortführungsmöglichkeiten zumeist zeitlich eng begrenzt, denn nach spätestens drei Monaten läuft das Insolvenzgeld aus. Bis dahin sollte ein angestrebter Verkauf „in trockenen Tüchern“ sein. Es ist daher eine vordringliche Aufgabe des vorläufigen Insolvenzverwalters, noch vor Einleitung des Investorenprozesses die Frage zu klären, ob die Markenrechte veräußert werden können. Verzögerungen führen häufig dazu, dass Sanierungen scheitern und schlimmstenfalls der Betrieb schließen muss.

Aufwändige und zeitintensive Recherche

Doch die Klärung ist oft gar nicht so einfach. Bereits die Recherche zu den Markenrechten gestaltet sich in der Regel aufwendig. Es genügt nicht, beim Deutschen Patent- und Markenamt um einen Auszug aus dem Markenregister zu bitten. Vielmehr müssen auch Gemeinschaftsmarken, im Ausland eingetragene Einzelmarken, zugehörige Urheber- und Designrechte sowie etwaige nicht im Markenregister erfasste Sicherungsrechte am Markenrecht zuverlässig erfasst werden.

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Ein Tipp aus dem „Nähkästchen“, um böse Überraschungen zu vermeiden: Auch wenn die Recherche zum Ergebnis kommt, dass die Markenrechte allein beim Unternehmen liegen, kann es trotzdem sinnvoll sein, sich von Kreditgebern und Gesellschaftern zusätzlich bestätigen zu lassen, dass sie keine eigenen Rechte am Markenrecht geltend machen. So lässt sich ausschließen, dass Markenrechte als Sicherheit abgetreten wurden – denn aus offiziellen Verzeichnissen gehen solche Sicherungsrechte nicht zwingend hervor.

Wie man Markenrechte zurückholt

Doch was tun, wenn der Verkäufer über die Markenrechte tatsächlich nicht verfügen kann? Ein allgemeingültiges Patentrezept zur Rückholung gibt es nicht. Liegen die Rechte als Sicherheiten bei Kreditinstituten, lassen sich in der Regel wirtschaftlich sinnvolle Lösungen zu einer gemeinsamen Veräußerung von Marke und Unternehmen abstimmen. Deutlich schwieriger gestaltet sich die Rückholung, wenn die Marke als Sicherheit für Gesellschafterdarlehen dient, wenn die Markenrechte schon immer beim Gesellschafter lagen oder komplett in fremden Händen liegen.

„Ein allgemeingültiges Patentrezept zur Rückholung gibt es nicht.“

Ein konkretes Praxisbeispiel zeigt die Herausforderungen: Bei einem Handelsunternehmen lagen die Markenrechte in einer in Asien angesiedelten Tochtergesellschaft, die als „Einkaufsgesellschaft“ fungierte. Die asiatische Tochter hatte eigene Geschäftsführer, beide Gesellschaften hatten unterschiedliche Verbindlichkeiten.

Diese Ausgangslage bot erhebliches Konfliktpotential: Insbesondere die Geschäftsführer der Einkaufsgesellschaft widersprachen einer Veräußerung der Marke vehement und fürchteten einen Verkauf „unter Wert“.

Treuhandkonto für den Markenkaufpreis

In einem solchen Fall haben der Markeninhaber und der Insolvenzverwalter als Verkäufer des Betriebes eigentlich eine ähnliche Interessenlage: Da die Marke allein sich erfahrungsgemäß nur mit deutlichen Wertabschlägen verkaufen lässt, sollten sie auf eine gemeinsame Veräußerung von Unternehmen und Marke setzen.

Eine Möglichkeit ist es, dass der Markeninhaber sich mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter frühzeitig auf einen abgestimmten Kaufvertrag über die Marke einigt. Damit ist sichergestellt, dass der Insolvenzverwalter bei einem Verkauf des Unternehmens auch über die Marke verfügen kann. Zugleich erhält der (ehemalige) Markeninhaber dann den im Markenkaufvertrag vereinbarten Preis. Wichtig dabei: Der Kaufpreis muss im Insolvenzverfahren als bevorrechtigte Masseverbindlichkeit erfüllt werden.

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Allerdings können Anfechtungsrechte des Insolvenzverwalters gegenüber dem Markeninhaber einer solchen Lösung entgegenstehen. In einem solchen Fall bietet es sich an, den Markenkaufpreis zunächst auf ein Treuhandkonto einzuzahlen. Diese Gestaltung ermöglicht es, Marke und Unternehmen zunächst zum größtmöglichen Wert gemeinsam zu veräußern und Meinungsverschiedenheiten über die Zuordnung des Kaufpreises im Nachgang mit weniger Zeitdruck zu klären. In jedem Fall sollte der vorläufige Insolvenzverwalter bei diesem Vorgehen den Gläubigerausschuss einbinden. Eine solche Gestaltung hat letztlich auch im hier skizzierten Beispiel zum Erfolg geführt.

Dokumentation von Markenrechten zahlt sich aus

Und noch einmal „aus dem Nähkästchen geplaudert“: Die Markenrecherche sowie eine Einigung von Markeninhaber und Unternehmensverkäufer über eine kombinierte Veräußerung sollten nicht erst kurz vor dem Investorenprozess Gegenstand der Überlegungen werden.

„Die Vorbereitungen sind aktives Risikomanagement.“

Vielmehr sollten Geschäftsführer von Unternehmen mit Eigenmarken frühzeitig eine exakte Dokumentation über die Markenrechte erstellen und mit einem etwaigen Markeninhaber das Gespräch über die Modalitäten einer gemeinsamen Veräußerung von Marke und Unternehmen suchen. Diese Vorbereitungen sind aktives Risikomanagement und machen sich nicht nur im Zuge eines Investorenprozesses bezahlt.

Dr. Malte Köster ist Partner und Fachanwalt für Insolvenzrecht bei WillmerKöster.

Marc Kampfenkel ist Partner und Fachanwalt für Insolvenzrecht bei WillmerKöster.