Die nächste Pleite in der Modebranche: Der Schuhhändler Görtz meldet eine Insolvenz an. Wie die Hamburger am Dienstagabend mitteilten, wollen sie sich über verschiedene Verfahren sanieren. Betroffen sind 160 Filialen und 1.800 Mitarbeiter.
Die Muttergesellschaft „Ludwig Görtz“ will unter das Schutzschirmverfahren. Für die beiden Töchter „Görtz Retail“ und „Görtz Logistik“ wurden jeweils Anträge auf eine Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Das Schutzschirmverfahren ist eine spezielle Ausprägung der Insolvenz in Eigenverwaltung. Bei beiden Verfahren bleibt das Management um CEO Frank Revermann und CFO Tobias Volgmann an Bord. Im Gegensatz zur Eigenverwaltung darf das Unternehmen beim Schutzschirm nur drohend zahlungsunfähig sein.
Görtz meldet zwei unterschiedliche Sanierungsverfahren an
Auf die Frage, wieso das Unternehmen sich für zwei unterschiedliche Verfahren entschieden hat, teilte ein Sprecher gegenüber FINANCE mit: „Nach sorgfältiger Prüfung durch die beteiligten Sanierungsexperten bieten die gewählten Verfahrensarten die beste Möglichkeit, die drei unterschiedlichen Gesellschaften in Eigenregie zu sanieren und wieder solide und nachhaltig aufzustellen.“
„Mit den gerichtlichen Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung will sich die Görtz-Gruppe konsequent restrukturieren und zukunftssicher aufstellen“, heißt es in der Pressemitteilung. Das Amtsgericht Hamburg hat die Verfahren bewilligt und angeordnet. Vorläufiger Sachwalter ist Sven-Holger Undritz von der Kanzlei White & Case. Der Insolvenzplan soll in den kommenden drei Monaten erarbeitet und dem Gericht vorleget werden. Alle Stores sollen weiterhin geöffnet bleiben.
Görtz kommt vom Regen in die Traufe
Grund für die finanzielle Schieflage sollen „deutliche Umsatzrückgänge“ durch die Verunsicherung der Kunden im Zuge der gestiegenen Energiekosten und Inflation sein. Mit der Restrukturierung wollen die Hamburger die Kostenstruktur an die veränderten Marktbedingungen anpassen.
Für Görtz ist es ein erneuter Rückschlag, denn schon während der Corona-Pandemie musste das Unternehmen herbe Einbußen verkraften. So fiel 2020 der Umsatz um mehr als 20 Prozent auf 199 Millionen Euro, in den Büchern stand ein Verlust mit 36,3 Millionen Euro.
Hilfe sollte durch die Mittel aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) des Bundes kommen. Der Bund bewilligte dem Unternehmen im April 2020 eine Kapitalspritze 28 Millionen Euro, also rund 15 Prozent des Umsatzes in dem Jahr. Wie es um die Mittel steht, wollte Görtz nicht mitteilen. „Wir bitten um Verständnis, dass wir Fragen zur Unternehmensfinanzierung nicht beantworten“, teilte ein Sprecher gegenüber FINANCE mit.
Bitter ist auch, dass Görtz nicht mehr auf Hilfe von Ex-Investor Afinum hoffen kann. Der Finanzinvestor, der bei Görtz in einer schwierigen Phase 2014 mit 40 Prozent eingestiegen war, zog sich im Herbst 2020 zurück. Seitdem hält die Gründerfamilie die Mehrheit der Anteile.
Kommen noch mehr Insolvenzen?
Dass Unternehmen, die WSF-Mittel bekommen haben, stürzen könnten, stand schon länger im Raum. Insgesamt gibt es drei Insolvenzfälle aus der Modebranche, die diese Mittel bekommen haben: Adler, Orsay und nun Görtz. Nur die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof hat, nachdem sie die WSF-Mittel bekommen hat, keine Insolvenz gemeldet. Der Konzern war aber kurz davor in einem Sanierungsverfahren.
Die „Pleitewelle“ in der Modebranche ist nicht neu (Hallhuber, Eterna und Co.). Schon vor Corona steckten diese Unternehmen in einer Krise, mussten sie doch den Umstieg auf den Onlinehandel stemmen und mit dem verschärften Wettbewerb durch den E-Commerce in der Branche umgehen, was mal besser und mal schlechter gelang. Corona hat viele noch einmal stark unter Druck gesetzt, nun belastet die Unternehmen obendrein auch noch die Energiekrise.
Wie Restrukturierungsexperten gegenüber FINANCE mitteilten, soll nicht nur die Modebranche, sondern der gesamte Retail-Sektor derzeit unter enormen Druck stehen, da diese Unternehmen für ihre Stores von den steigenden Energiepreisen abhängig sind und gleichzeitig eine Zurückhaltung bei den Kunden herrscht.
Obwohl es laut dem FINANCE-Insolvenzreport im ersten Halbjahr zu einem Rückgang der Insolvenzanmeldungen kam, rechnen Experten damit, dass es im zweiten Halbjahr wieder zu mehr Fällen kommt. Darunter könnten sich dann neben den ebenfalls sehr betroffenen Branchen – Automotive und Energieversorger – mehr Retail-Kunden befinden.
Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Backhaus ist spezialisiert auf die Themen Restrukturierung, Transformation, Zahlungsverkehr und Cash Management. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalistin für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.