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Deutsche Lichtmiete erneut im Insolvenzverfahren

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Der Leuchtmittelspezialist Deutsche Lichtmiete steckt erneut im vorläufigen Insolvenzverfahren. Dieses Mal kann der vorläufige Verwalter härter durchgreifen.
Der Leuchtmittelspezialist Deutsche Lichtmiete steckt erneut im vorläufigen Insolvenzverfahren. Dieses Mal kann der vorläufige Verwalter härter durchgreifen. Foto: Parilov - stock.adobe.com

Im Insolvenzgerangel um die Deutsche Lichtmiete ist das nächste Kapitel eröffnet: Das Unternehmen steckt nun zum zweiten Mal binnen weniger Wochen in einem vorläufigen Insolvenzverfahren. Nach dem ersten Insolvenzantrag zum Jahreswechsel, dem eine staatsanwaltschaftliche Ermittlung vorausgegangen war, hatte das Management den Antrag Ende Februar überraschend zurückgezogen. Bereits damals überlegten Gläubiger, ihrerseits die Insolvenz zu beantragen – und das ist nun offenbar erfolgt. Der Insolvenzantrag komme aus dem Kreis der Gläubiger, sagte ein Sprecher des zuständigen Amtsgerichts in Oldenburg gegenüber dem „Handelsblatt“.

Vorläufiger Insolvenzverwalter ist erneut Rüdiger Weiß von der Kanzlei WallnerWeiß. Einen entscheidenden Unterschied zum ersten Durchgang gibt es jedoch: Während es im ersten Insolvenzantrag noch hieß, Verfügungen der Lichtmiete seien „nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam“, geht der erneute Antrag vom gestrigen Dienstag nun einen Schritt weiter: Demnach wurde in dem Insolvenzantragsverfahren „ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen“.

Deutsche Lichtmiete hat starken Insolvenzverwalter

Die juristische Formulierung bedeutet im Klartext nicht weniger, als dass der vorläufige Verwalter Weiß jetzt die Entscheidungen bei der Deutschen Lichtmiete AG fällt – inklusive der Verfügung über Konten, Waren und Gehälter. Die Zustimmung des Vorstands braucht der Verwalter für seine Vorhaben nicht, er darf das Unternehmen nach außen alleine vertreten. Juristen sprechen bei dieser Konstellation von einem „starken Verwalter“.

Diese Regelung gibt es nicht allzu häufig, sie gilt in der Praxis als Maßnahme, um Veränderungen zum Nachteil der Gläubiger zu unterbinden. Allerdings gibt es eine Besonderheit: Der starke Verwalter begründet während seiner Tätigkeit ausnahmslos sogenannte Masseforderungen. Diese müssen aus der Insolvenzmasse komplett befriedigt werden – was einen Nachteil für die nachrangigen Gläubiger darstellen kann, da die Masse dadurch schmilzt.

Deutsche Lichtmiete widerspricht Verwalter Weiß

Die Deutsche Lichtmiete hatte Ende Februar noch die „konkrete Aussicht“ in den Raum gestellt, den Geschäftsbetrieb der Gruppe mithilfe von Investoren fortzuführen. Damit begründete das Unternehmen auch die Rücknahme der vorläufigen Insolvenzanträge. Mit der Fortführung des Unternehmens solle „ein Totalverlust verhindert werden“, hieß es damals. Das Unternehmen führte nach eigener Aussage Gespräche mit Finanz- sowie strategischen Investoren und erklärte: „Erste Kapitalzusagen wurden bereits getätigt.“

Frühere Aussagen des vorläufigen Insolvenzverwalters Weiß gegenüber dem „Handelsblatt“, denen zufolge Leuchten zu Herstellungskosten von 56 Millionen Euro fehlen sollten, zweifelt die Deutsche Lichtmiete an. Auch die Kostenkalkulation der vorläufigen Insolvenzverwaltung bezeichnete das Unternehmen als „künstlich aufgeblasen“.

Die Verantwortlichen, die der Seite von Unternehmensgründer Alexander Hahn zugeordnet werden, sprachen Ende Februar von Beständen an Leuchten und Zubehör, für die ein Wert von rund 120 Millionen Euro anzusetzen sei. Zudem sollten aus am Lager befindlichen Komponenten und Bausätzen weitere Leuchten und Zubehör im Wert von rund 60 Millionen Euro entstehen. Rückstellungen für die Fertigstellung seien in den Jahresabschlüssen der Deutsche Lichtmiete Produktionsgesellschaft gebildet. Zudem gebe es Verbindlichkeiten in Höhe von ebenfalls rund 180 Millionen Euro.

Ermittlungen laufen nun auch gegen OAB

Die Deutsche Lichtmiete hat über die Jahre mehrfach den Markt für Mittelstandsanleihen angezapft, die Volumina der vier Anleihen summieren sich auf insgesamt 120 Millionen Euro. Hinzu kommen Direktinvestitionen von Anlegern, Schätzungen zufolge sollen insgesamt rund 200 Millionen Euro an Investorengeldern geflossen sein. Anfang Dezember gab es eine Hausdurchsuchung in den Betriebsräumen des Unternehmens, Hintergrund waren Ermittlungen wegen Betrugsverdachts durch die Staatsanwaltschaft sowie die Zentrale Kriminalinspektion Oldenburg.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat ihre Ermittlungen rund um die Unternehmensgruppe Deutsche Lichtmiete unterdessen ausgeweitet und Ende Februar die Privaträume des Vorstands sowie die Geschäftsräume der Osnabrücker Anlagen- und Beteiligungs-Aktiengesellschaft (OAB) durchsucht. Der Vorwurf: Verantwortliche der Deutschen Lichtmiete, die als Beschuldigte in den Lichtmiete-Ermittlungen geführt werden, sollen einen Betrag über 4,2 Millionen Euro zur OAB transferiert haben. Die Staatsanwaltschaft hat über diese Summe einen Vermögensarrest verhängen lassen.

OAB teilte mit, man weise „die Vorwürfe der Geldwäsche entschieden zurück“ und wolle die Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung unterstützen. Pikant ist der Zusammenhang auch wegen einer personellen Verwicklung: OAB-Vorständin Jana Retsch war zuletzt ausweislich ihres öffentlich zugänglichen Linkedin-Profils auch Assistentin der Geschäftsführung der „Deutsche Lichtmiete Vertriebsgesellschaft für ethisch-ökologische Kapitalanlagen“. Sie hat inzwischen erklärt, ihr Amt bei OAB zum 15. April vorzeitig niederzulegen.

Deutsche Lichtmiete sichert Neuanfang zu

Um mit den Vorwürfen aufzuräumen, will die Deutsche Lichtmiete nun eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit einem „Compliance-Check im Unternehmen“ beauftragen, dies soll „absolute Transparenz und Aufklärung von dritter Seite“ bringen. Der langjährige Vorstand Alexander Hahn ist als Geschäftsführer der operativen Gesellschaften zurückgetreten, an seine Stelle soll ein Team von Restrukturierungsexperten und Interimsmanagern rücken.

Neuer Aufsichtsratsvorsitzender ist seit Ende Februar Christian Effenberger, der auf Thomas Rogalla folgte. Neuer Vorstand der Deutsche Lichtmiete AG ist der Interimsmanager Gert Sieger. Sieger, der laut Deutscher Lichtmiete „über drei Jahrzehnte Erfahrung als CFO in internationalen Konsumgüter- und Handelsunternehmen“ verfügt, begleitete in der Vergangenheit unter anderem die Restrukturierung eines Weinguts im Latium sowie eines Getreideproduzenten in der Ukraine. Außerdem berät er zu Reporting- und Finanzierungsfragen.

Sieger, derzeit geschäftsführender Gesellschafter der auf Familienunternehmen spezialisierten M&A– und Corporate-Finance-Boutique Sieger & Cie. Consultants in Stuttgart, war ausweislich seines Linkedin-Profils auch von Anfang 2013 bis Juni 2019 als Vorstand sowie Aufsichtsrat der KFM Deutsche Mittelstand AG tätig. Diese war der Deutschen Lichtmiete bis zum Schluss wohlgesonnen: Im Unternehmens-Barometer der KFM wurde die Deutsche Lichtmiete AG noch im Februar 2021 als „attraktiv“ mit vier von fünf möglichen Sternen bewertet. Ein von KFM initiierter Mittelstandsanleihen-Fonds hatte auch in die Anleihen investiert.

Deutsche Lichtmiete: Fernziel Börse?

Der neue Vorstand beschwor bei seinem Amtsantritt Anfang März große Ziele: Das Unternehmen sei stark beschädigt, nun gelte es, den Schaden zu begrenzen und die Weiterführung zu sichern, heißt es in einem Antrittsstatement. „Ich habe die Deutsche Lichtmiete als ein sehr dynamisches Unternehmen kennengelernt, welches auf seinem Erfolgskurs torpediert wurde. Wieso und warum dies in der Art passierte, gilt es nun aufzuklären“, sagte Sieger.

Während die Weiterführung derzeit noch ungewiss ist, träumte der Vorstand offenbar bereits von einer langfristigen Perspektive: „Ich kann mir vorstellen, dass das Geschäftsmodell der Deutschen Lichtmiete sogar in einigen Jahren an die Börse geführt werden kann. Aber bis dahin ist noch viel zu tun“, erklärte Sieger.

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Für die nächsten Schritte ist der frisch berufene Vorstand allerdings auf den starken vorläufigen Insolvenzverwalter Weiß angewiesen. Diese Entwicklung hat Sieger offenbar überrascht – dem „Handelsblatt“ gegenüber sagte er, man habe in diesen Tagen eigentlich einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung stellen wollen. Bei einer Eigenverwaltung bleibt die Geschäftsführung am Ruder, ihr wird lediglich ein Berater zur Seite gestellt, während ein Sachwalter über den geregelten Gang des Verfahrens wacht.

Verkompliziert wird das weitere Vorgehen dadurch, das offenbar noch nicht für alle Gesellschaften der Lichtmiete-Gruppe, darunter die Produktions- und die Vertriebsgesellschaft, neue Insolvenzanträge vorliegen. Dort ist damit bis auf Weiteres das Management noch am Ruder.