Galeria-Insolvenz: Befreiungsschlag oder Zerschlagung?

Die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof hat am Dienstag erneut Insolvenz angemeldet. Es ist nach 2020 und 2022 schon die dritte Insolvenz des Unternehmens. Aber dieses Mal ist es keine Eigenverwaltung, sondern eine Regelinsolvenz. Die größten Gläubiger, worunter etwa die Bundesagentur für Arbeit zählt, sollen sich gegen eine Eigenverwaltung gesträubt haben. Das hat FINANCE aus Unternehmenskreisen vernommen, erstmals hat die „Wirtschaftswoche“ darüber berichtet. Galeria hat sich dazu auf eine FINANCE-Anfrage bislang nicht geäußert. Die Eigenverwaltung hätte in der Öffentlichkeit ein besseres Renommée und sende eher positive Signale an Lieferanten, Dienstleister und Arbeitnehmer, so die Einschätzung eines Insolvenzrechtsexperten. Daher sei die Beantragung eines Regelinsolvenzverfahrens auf den ersten Blick nicht zu verstehen. Sicher ist: Ein Regelverfahren beschneidet die Kompetenzen und Mitsprachemöglichkeiten der Geschäftsführung, CFO Guido Mager und CEO Olivier Van den Bossche, deutlich stärker. Bislang ist bekannt, dass die Geschäftsführung dennoch an Bord bleiben will. Insolvenz ist nach Galeria-CEO ein Befreiungsschlag Das Management sieht die Insolvenz als „Befreiungsschlag“. Denn der operative Erfolg von Galeria sei „durch die Rahmenbedingungen der alten Eigentümerstruktur belastet“. Ziel sei ein „Eigentümerwechsel und Lösung aus der Umklammerung“ von Signa, so CEO Van den Bossche. Die Insolvenzen der Signa-Gruppe schädigten Galeria massiv, behinderten das laufende Geschäft und schränkten durch hohe Mieten und teure Dienstleistungen die künftige Entwicklungsmöglichkeit stark ein, hieß es in der Mitteilung. Gegenteilig schätzt das Markus Schön ein. Er ist CEO des Bürobedarf-Händlers „buero.de“ mit einer dreistelligen Anzahl von Mitarbeitenden an 20 Standorten. Die Unternehmensgruppe befand sich nach eigenen Angaben bereits zweimal mit Galeria Karstadt Kaufhof in Gesprächen – einmal zur Übernahme von 47 Standorten und zuletzt für die Bereiche Bürobedarf und Schulwaren. Doch Galeria dementierte letzteres in einem Mitarbeiterschreiben, buero.de zog sich nach eigenen Angaben zurück. „Der vom Galeria-Management als solcher betitelte Befreiungsschlag ist keiner. Galeria erwirtschaftet weiterhin keinen Gewinn. Lediglich das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen scheint sich gebessert zu haben, aber ein Jahresüberschuss ist das eben nicht“, so Schön. Finanziell entscheidend ist die Loslösung von Signa Dass Galeria keine schwarzen Zahlen schreibt, ist auch durch die kriselnde Eigentümerin Signa begründet. Der stark angeschlagene Immobilienkonzern war nicht nur Eigentümer von Galeria Karstadt Kaufhof, sondern vielerorts auch Vermieter der von Galeria bezogenen Immobilien. Signa soll die Mieten am obersten Rand angesetzt haben. Die „Wirtschaftswoche“ berichtet: Ein besonders umsatzstarkes Haus wie das in Köln etwa führe rund 35 Prozent seines Umsatzes als Miete ab. Das führe dazu, dass sogar die besten Filialen kaum oder gar keinen Beitrag zum Ergebnis leisten, kommentiert Galeria Betriebsratschef Jürgen Ettl diese Situation. Damit ist die Insolvenz von Galeria durchaus ein Freimachen von ausgesprochen eng angelegten finanziellen Fesseln. Alles zum Thema Signa-Krise Mehr lesen Möglichkeiten des Insolvenzrechts Doch das bleibt nicht die einzige Hürde, die Galeria überwinden muss. Es müssten einige entscheidende Stellschrauben für eine grundlegende Transformation gedreht werden, welchen in den vorherigen Eigenverwaltungen zu wenig Beachtung geschenkt wurde, so ein Insolvenzrechtsexperte, der namentlich nicht genannt werden will. Im Fokus stehen erwartungsgemäß die teuren Miet- und Dienstleistungsverträge mit Signa, die durch die Mittel des Insolvenzrechts, dem Sonderkündigungsrecht, gekappt und neu verhandelt werden können. Im Falle einer Filialschließung könnten die Mietverträge mit einer Frist von längstens drei Monaten gekündigt werden, in der Zwischenzeit würde die Ware abverkauft und Galeria hätte sich schnell von der Filiale losgesagt. Über die Filialen hinaus sollten bei Warenhäusern auch die Logistikzentren im Fokus des Insolvenzverwalters stehen, um Kosten einzusparen. Das Insolvenzrecht räumt außerdem Sonderkündigungsrechte bei Arbeitsverträgen ein. Ein notwendiger Personalabbau sei in einer Insolvenz schneller, kostengünstiger und rechtssicherer möglich, erläutert der Insolvenzexperte. Instrumente wie der Interessenausgleich und ein Sozialplan würden diese Maßnahme unterstützen. Zu guter Letzt gilt es, den Interessenten zu zeigen, dass es eine Strategie Richtung Zukunft gibt, welche die Einnahmesituation von Galeria verbessert. Doch wie steht es um ein zukunftsträchtiges unternehmerisches Konzept? Das Geschäftsmodell hat längst ausgedient Einst entstand der Konzern durch eine Fusion der beiden finanziell angeschlagenen Kaufhausketten Karstadt und Galeria Kaufhof. Schon damals war deren Geschäftsmodell kaum noch tragbar. Das bereits auf wackligen Beinen stehende Unternehmen konnte den kurzzeitig hintereinander folgenden Wirtschaftskrisen, die durch die Corona-Pandemie, den Angriffskrieg in der Ukraine und der damit einhergehenden Inflation sowie steigenden Energiepreisen nicht mehr standhalten. Insbesondere nach der zweiten Insolvenz scheint Galeria eine Art „Offline-Amazon“ werden zu wollen, so der buero.de-Chef. „Das war der falsche Weg. Diesen Marktplatzgedanken muss man aus meiner Sicht zurückdrehen.“ Vielmehr müsse die gesamte Branche darüber nachdenken, was stationären Handel besonders macht. „Ich muss dem Kunden Erlebnisse bieten, die man sonst nicht bekommt: exklusive Angebote, innovative Konzepte in der Produktpräsentation und Veranstaltungen.“ In der buero.de-Filiale in Aschaffenburg werde bereits demonstriert, was Schön meint. Zur Schulranzen-Saison werden Schulranzen aus der Vergangenheit – teilweise historische Stücke -, aktuelle Modelle und zu erwartende Innovationen ausgestellt. „Das kann man nur machen, wenn Verkäufer auf der Fläche sind, die dies erklären. Und die fehlen bei Galeria zunehmend“, stellt der buero.de-Vorstandsvorsitzende fest. Ein weiterer Aspekt könnte ein lokaler Ansatz sein: Wahrscheinlich haben Menschen in Hildesheim andere Warenbedürfnisse als jene in München, glaubt ein Insolvenzexperte. Die Ideen von Branchenkennern zeigen, wie viel Spielfläche in der Überarbeitung eines neuen unternehmerischen Konzeptes liegt. Doch an Karstadt und Kaufhof haben sich über viele Jahre schon zahlreiche Berater und Managementteams abgearbeitet. Was ist ein realistisches Szenario? Unsere Schwesterpublikation DerTreasurer hat bei Linkedin gefragt: „Wie geht es mit Galeria weiter?“ Das Ergebnis der Antwortgeber ist eindeutig. Quelle: Linkedin DerTreasurer Galeria sucht einen neuen Investor Gespräche mit potenziellen Investoren seien bereits angelaufen, Ziel sei die Fortführung von Galeria, teilte das Unternehmen bereits am Dienstag mit. Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus von der Kanzlei BRL Boege Rohde Luebbehuesen betont, eine Zerschlagung sei ausdrücklich nicht das Ziel des Verfahrens. Unternehmer Schön ist weniger optimistisch: „Auf diesem Konzept lässt sich nicht mehr aufbauen. Es fehlt zunehmend an den Mitarbeitenden auf der Fläche. Damit läuft es auf eine Abwicklung hinaus. Investoren müssten bei einer Übernahme neben Personalaufstockungen so viel in Image und Substanz investieren, dass es auf Jahre kaum rentabel wäre oder es droht direkt die nächste Pleite.“ Da seien die offenkundig sehr komplexen Mietverträge eher ein kleineres Problem. Galeria betreibt aktuell 92 Warenhäuser und beschäftigt rund 15.000 Menschen. Sie werden in den nächsten drei Monaten voraussichtlich Insolvenzgeld erhalten. Der Geschäftsbetrieb in den Filialen und Online dürfte so zumindest bis Ende März normal fortgeführt werden. In drei Monaten soll das Insolvenzverfahren offiziell eröffnet werden. So lange hat Insolvenzverwalter Denkhaus Zeit, eine Lösung, idealerweise einen Investor, zu finden. Anderenfalls droht Galeria der Worst Case: die Liquidation der Warenhauskette. In großen Städten wäre das wahrscheinlich weniger ausschlaggebend. Für kleinere und mittelgroße Städte dürfte der Wegfall von Galeria ein maßgeblicher Einschnitt für die Innenstädte sein.

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