Auf und ab bei Großinsolvenzen: Nachdem im ersten Quartal 2022 die Zahl der Insolvenzanträge im Vergleich zum Vorjahresquartal gestiegen war, ist sie im zweiten Quartal wieder deutlich gesunken. So beantragten zwischen April und Juni nur 19 große Unternehmen ein Insolvenzverfahren. Das sind 42 Prozent weniger als im Vorquartal.
Damit liegen die Antragszahlen wieder ungefähr auf dem Durchschnittswert der Quartale des Coronajahres 2021. Das geht aus dem aktuellen FINANCE-Insolvenz-Report hervor, für den die Restrukturierungsberatung Falkensteg exklusiv für FINANCE die Großinsolvenzen von Unternehmen mit einer Umsatzgröße ab 20 Millionen Euro auswertet.
Weniger Großunternehmen stellten Insolvenzantrag
Auffällig ist, dass die Zahl der insolventen Unternehmen ab einem Umsatz von 50 Millionen Euro ebenfalls deutlich gesunken ist. Im zweiten Quartal gab es nur drei Anträge in dieser Umsatzklasse, nur ein Unternehmen zählt davon einen Umsatz ab 100 Millionen Euro. Im Vorquartal gab es noch 19 Fälle in dieser Umsatzklasse, im Vorjahresquartal waren es neun.
Laut dem Report sind weiterhin die Auswirkungen der Corona-Pandemie und höhere Kosten für Vorprodukte sowie Energie die Gründe für die Schieflage der Unternehmen. Deshalb zeige sich vor allem ein Insolvenztrend in der Logistikbranche – im ersten Quartal war hier noch die Energiebranche ganz vorne.
„Es wird sicherlich im zweiten Halbjhar mehr Insolvenzen geben als im ersten.“
Jonas Eckhardt, Falkensteg
Das spiegelt sich auch bei dem am Umsatz gemessen größten Unternehmen unter den Insolvenzfällen wider. Mit einem Umsatz von über 300 Millionen Euro ist Cargo-Logic Germany das größte Unternehmen, das im zweiten Quartal Insolvenz beantragte. Grund dafür ist, dass das Luftfahrt-Bundesamt der Airline wegen den Russland-Sanktionen die Flugerlaubnis entzogen hat.
Die Logistiker Kocks Ardelt Kranbau und Reuther STC wiederum, beide mit einem Umsatz von rund 50 Millionen Euro, konnten keinen neuen Stahllieferanten finden. Bisher erhielten sie den Stahl aus dem zerstörten Asow-Werk in Mariupol. Ebenfalls mehrere Insolvenzfälle gab es jeweils im Automobilsektor, im Maschinenbau und in der Metallherstellung.
2. Halbjahr: Insolvenzen sollen steigen
Obwohl die Insolvenzfälle zuletzt gesunken sind, rechnet Falkensteg-Partner und Studienautor Jonas Eckhardt im zweiten Halbjahr mit einem Anstieg. „Es wird sicherlich im zweiten Halbjahr mehr Insolvenzen geben als im ersten. Allein die explodierenden Kosten bei neuen Energiekontrakten werden die Gewinne und am Ende auch Liquidität vieler Unternehmen nach und nach aufzehren.“
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Bitte einloggenAuch Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter Wirtschaftsforschung der Wirtschaftsauskunftei und des Inkassodienstleister Creditreform, blickt eher negativ auf die nächsten Monate: „Der sich absehbar zuspitzende Konflikt zwischen den USA und China wird die Welt weiter destabilisieren. Wir blicken also auf eine Dekade der Unruhen und der Krisen. In diesem Umfeld müssen sich die Unternehmen behaupten und es wäre illusorisch zu glauben, dass man mit Liquiditätsspritzen jeden retten kann. Das ist keine Option.“
Das Insolvenzgeschehen werde deshalb davon abhängen, inwieweit Unternehmen die Kostensteigerungen an ihre Kunden weitergeben können und in welchem Umfang der Staat wieder unterstützend eingreift, so das Fazit von Eckhardt.
Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Backhaus ist spezialisiert auf die Themen Restrukturierung, Transformation, Zahlungsverkehr und Cash Management. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalistin für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.