Showdown bei ProSiebenSat.1: MFE scheitert mit Aufspaltungsplan

Großaktionär MFE konnte sich auf der Hauptversammlung von ProSiebenSat.1 nicht durchsetzen: Die italienische Mediengruppe scheiterte mit ihrem Antrag, die E-Commerce- und Dating-Geschäfte des Konzerns vom medialen Kerngeschäft abzuspalten. Nötig wäre dafür eine 75-Prozent-Mehrheit gewesen, am Ende waren es 70,95 Prozent. Der MFE-Antrag sah vor, dass der ProSiebenSat.1-Vorstand innerhalb eines Jahres die Abspaltung der Segmente Commerce & Ventures sowie Dating & Video vorbereiten und den Ausgliederungs- und Übernahmevertrag spätestens bei der Hauptversammlung 2025 zur Abstimmung vorlegen sollte. Die abgespaltenen Geschäfte sollten dann in einer neuen Gesellschaft neben ProSiebenSat.1 an der Börse gelistet werden. In den zur Disposition gestellten Segmenten sind Beteiligungen und Plattformen wie die Online-Parfümerie Flaconi, das Vergleichsportal Verivox, das Erlebnisgeschäft der Jochen Schweizer Mydays Group sowie die Dating-Portale Parship und Elitepartner gebündelt. Diese als nicht strategisch eingestuften Geschäfte stehen zusammen für ein Drittel der Umsatzerlöse des Konzerns und rund 20 Prozent des bereinigten Ergebnisses (adjusted Ebitda). Zäher Trennungsprozess von Beteiligungen ProSiebenSat.1 hatte bereits vor zwei Jahren angekündigt, sich von Beteiligungen trennen und auf das Unterhaltungsgeschäft mit TV und Streaming fokussieren zu wollen, passiert war seitdem aber nichts. Ein Börsengang der Parship-Gruppe etwa war 2022 aufgrund des Ukraine-Kriegs verschoben worden. Zuletzt dürfte auch das schwierige Marktumfeld für M&A-Geschäfte eine Rolle gespielt haben. Der MFE-Gruppe, hinter der die Familie des früheren, 2023 gestorbenen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi steht und die knapp 30 Prozent an ProSiebenSat.1. hält, dauerte die strategische Neuausrichtung der deutschen Mediengruppe zu lange: In den vergangenen fünf Jahren sei Unternehmenswert vernichtet worden, jetzt sei schnelles und entschlossenes Handeln notwendig. Auf Fünfjahressicht hat sich der Wert des Papiers fast halbiert, wobei die Kurve zuletzt immerhin wieder leicht nach oben zeigte und bei etwas über 7 Euro notierte. ProSiebenSat.1 will Verivox und Flaconi verkaufen Mit dem Aufspaltungs-Vorstoß ist MFE zwar gescheitert, aber es ist Bewegung in die Portfoliobereinigung gekommen. Der Vorstand von ProSiebenSat.1 hat mittlerweile angekündigt, Verivox und Flaconi verkaufen zu wollen. Noch Anfang März hatten Vorstandschef Bert Habets und Finanzchef Martin Mildner gesagt, dass man auf bessere Marktbedingungen warten wolle. Bei der Hauptversammlung erklärte Habets: „Beide Unternehmen sind stark gewachsen. Auch das Umfeld ist für solche Transaktionen wieder günstig.“ Ziel sei es, den optimalen Wert für die Beteiligungen zu erzielen. „Mit den Einnahmen können wir dann unsere Verschuldung reduzieren. Das schafft Spielraum für Investitionen in unser Kerngeschäft Entertainment.“ Der Verivox-Umsatz hat sich demnach zuletzt verdoppelt, der Flaconi-Umsatz legte um 20 Prozent zu. Befriedet sein dürfte der Streit mit MFE damit aber nicht: Der offensiv auftretende Großaktionär will die Bereinigung des Portfolios und strikte Ausrichtung aufs Mediengeschäft will er deshalb lieber früher als später sehen. In der Dating- und Videosparte von ProSiebenSat.1 sind Umsatz und Gewinn allerdings rückläufig, für einen Börsengang oder Verkauf müsse zunächst die Performance besser werden, betonte CFO Mildner. Da klingt es schon fast wie eine Drohung, wenn MFE die strategische Einigkeit betont und dass man bereit sei, die ProSieben-Führung bei der Umsetzung „tatkräftig zu unterstützen“. Compliance-Fall: ProSieben prüft Schadensersatzansprüche Ein anderes Problem hat ProSieben bei der Jochen Schweizer Mydays Group. Vor einem Jahr hatte ein Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass die Erlebnisgutschein-Anbieter zumindest teilweise unter das Zahlungsdienstaufsichtsgesetz (ZAG) fallen könnten. Zahlungsdienste müssen bei der Bafin angemeldet sein und werden von dieser beaufsichtigt. Mittlerweile hat die Anwaltskanzlei Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom im Auftrag des Aufsichtsrats den Compliance-Fall untersucht. Ergebnis: Zwei ehemalige Vorstandsmitglieder sollen ihre Pflichten verletzt und Schäden verursacht haben. „Hier wurde vertuscht. Es bedurfte eines anonymen Hinweises im Februar 2023, damit der Aufsichtsrat erstmals von den Rechtsverstößen bei Jochen Schweizer Mydays erfährt“, wurde Aufsichtsrat Rolf Nonnenmacher, der dem Prüfungsausschuss vorsitzt, deutlich. Er selbst wurde von den Aktionären nicht entlastet, und MFE konnte letztlich sogar seine Abberufung durchsetzen. Er wird im Aufsichtsrat nun von Simone Scettri ersetzt. Das Geschäft von Jochen Schweizer Mydays sei mittlerweile rechtmäßig aufgesetzt worden, ob die früheren Verstöße verfolgt werden, hat die Staatsanwaltschaft noch nicht entschieden. ProSiebenSat.1 selbst prüft derzeit etwaige Schadensersatzansprüche gegen die Alt-Vorstände und auch gegen Dritte. Diese sollen konsequent verfolgt werden. Die genaue Schadenshöhe wird noch ermittelt. Die bisher aufgelaufenen Kosten allein für die Untersuchung des Falls beziffert das Unternehmen auf 15 Millionen Euro. Rückt auch Abschlussprüfer EY in den Fokus? Ob auch dem damaligen Abschlussprüfer EY Konsequenzen drohen, ist unklar. Mögliche Pflichtverletzungen von Externen würden derzeit noch geprüft, sagte CFO Martin Mildner. Fakt ist: ProSiebenSat.1 hat von einer anderen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft untersuchen lassen, ob dem damaligen Abschlussprüfer EY, der auch Abschlussprüfer bei Jochen Schweizer Mydays war, die regulatorische Thematik hätte auffallen müssen. „Die Gutachter haben diese Frage bejaht“, erklärte Nonnenmacher. Kontrollsysteme haben offenbar versagt Auch bei den internen Kontrollsystemen muss Finanzchef Mildner, der auf Vorstandsebene auch die Themen Compliance und Risikomanagement verantwortet, nachbessern. Nachdem eine externe Beratungsgesellschaft die bestehenden Governance-Systeme überprüft hat, habe man verschiedene Maßnahmen angestoßen, 2024 sollen unter anderem eine engere Verzahnung der Risikomanagementprozesse und eine Standardisierung der Risikoberichte umgesetzt werden. Die Verschuldung reduzieren, Investitionen ins mediale Kerngeschäft ermöglichen, Beteiligungen abstoßen sowie regulatorische Probleme aus der Vergangenheit aufarbeiten: Finanzvorstand Martin Mildner, gerade mal seit einem Jahr bei ProSiebenSat.1 an Bord, hat viele Herausforderungen zu lösen.

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