Dicke Luft bei Varta: Der angeschlagene Batteriehersteller konnte sich erst vor rund drei Wochen mit Gläubigern und strategischen Investoren auf ein Sanierungskonzept einigen. Doch jetzt melden sich die Free-Float-Aktionäre zu Wort, denn sie fühlen sich im Rahmen des Sanierungsplans übergangen. Vertreter der Aktionäre, auf die knapp die Hälfte des Eigenkapitals von Varta entfällt, ist das Beratungshaus One Square Advisors.
Über 3.000 Varta-Aktionäre sehen sich bei dem vorgesehenen Restrukturierungskonzept, das für sie faktisch einer Enteignung gleichkommt, erheblich benachteiligt. Wegen der „eklatanten Missachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes“ und eines „erheblichen Informationsdefizits“ wollen sie nun rechtliche Schritte einleiten, um den vorgeschlagenen Sanierungsplan aufzuhalten, teilt One Square Advisors mit.
Unterstützt werden sie dabei von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und von den Kanzleien Nieding + Barth und K&L Gates.
Info
Der vorläufige Sanierungsplan von Varta sieht einen erheblichen Schuldenschnitt von mehr als 50 Prozent vor. Zudem werden verbleibende Kreditforderungen bis Ende Dezember 2027 verlängert. Darüber hinaus soll das Grundkapital auf null herabgesetzt werden, indem ein Bezugsrechtsausschluss der freien Aktionäre sowie eine anschließende Löschung der Börsennotierung vorgesehen ist.
Wird Varta-Aufsichtsratschef Tojner bevorteilt?
Zwei Hauptpunkte haben die freien Aktionäre im Visier. Da ist zunächst die Rolle des Mehrheitsaktionärs und Aufsichtsratsvorsitzenden von Varta, Michael Tojner. Das dahinterliegende Problem aus Aktionärssicht: Nur diejenigen Gläubiger, die dem Schuldenschnitt zugestimmt haben, sollen am „Erfolg der Sanierungsmaßnahmen“ beteiligt werden.
Allerdings wurde dies laut One Square Advisors ohne Mitwirkung der Free-Float-Aktionäre beschlossen. Lediglich Tojner würde jedoch am „Wertzuwachs der nach dem Starug teilentschuldeten Gesellschaft“ teilhaben, der gut 30 Prozent betragen solle. Ebenfalls kritisieren die Aktionäre, dass Tojner lediglich ein Drittel der Kapitalerhöhung in bar erbringt. Der Rest soll in Immobilienwerten erfolgen. Aber: „Zur Angemessenheit der Immobilienbewertung ist bisher nichts bekannt.“
Aktionäre halten Cyberattacke für vorgeschobenen Grund
Der zweite wesentliche Punkt bezieht sich auf die Cyberattacke. Varta war Mitte Februar Opfer eines Cyberangriffs geworden, woraufhin der Batteriehersteller die Veröffentlichung seines Jahresabschlusses mehrfach verschoben hatte.
Die Kritik der Anleger: „Der besagte Hackerangriff, der fehlende Jahresabschluss sowie die nicht veröffentlichten Quartalsberichte müssen als Argumente herhalten, dass in der knappen Zeit kein Wertpapierprospekt für die Beteiligung der Free-Float-Aktionäre erstellt werden könne und die Aktionäre daher vom Bezugsrecht ausgeschlossen würden.“
Und die Aktionäre gehen sogar noch einen Schritt weiter und vermuten, dass Tojner der Jahresabschluss „zumindest im Entwurf vorliegen und damit bekannt sein dürfte“. Diese Informationsasymmetrie sei gegebenenfalls sogar durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) zu prüfen, drohen die Anleger.
Aktionäre wollen Schadensersatzansprüche prüfen
Darüber hinaus blicken die Aktionäre kritisch auf das Bezugsrecht, das ihnen verwehrt werden soll. Der Wert dieses Rechts sei zwar noch zu bestimmen, solle aber mindestens auf dem Niveau der Entschuldung pro Aktie sowie dem potenziellen Wertzuwachs nach der Sanierung liegen. Auf Basis der Kursentwicklung vom Höchststand im Januar 2021 (181 Euro) bis heute (1,67 Euro) gehen die Aktionäre von einem Betrag von knapp 91 Euro aus.
Die freien Aktionäre haben gegenüber Varta bereits angekündigt, alle rechtlichen Mittel auszuschöpfen, um ihre Gleichbehandlung durchzusetzen. Daneben sollen auch mögliche Schadensersatzansprüche geprüft werden.
Auch Schuldscheingläubiger prüfen Sanierungskonzept
Hinzu kommt: Die Schuldscheingläubiger, auf die ein wesentlicher Teil der Forderungen entfällt, haben das Sanierungsgutachten noch nicht freigegeben. Mehrfach sollen die Verhandlungen vor dem Scheitern gestanden haben, berichtete die „Wirtschaftswoche“. Es soll sich um mindestens 70 Schuldscheingläubiger, im Wesentlichen Banken und Hedgefonds, mit einem gesamten Forderungsvolumen von mehr als 200 Millionen Euro handeln.
Sie sollen eine Entschädigung im Gegenzug dafür fordern, dass sie dem Sanierungskonzept zustimmen. Varta tut also gut daran, die Interessen der Aktionäre und der Schuldscheingläubiger nicht zu vernachlässigen. Schließlich ist der angeschlagene Batteriehersteller für eine erfolgreiche Restrukturierung auf alle Beteiligten angewiesen.
Esra Laubach ist Redakteurin bei FINANCE und widmet sich schwerpunktmäßig den Themen Transformation, Restrukturierung und Recht. Sie ist Sprach- und Kommunikationswissenschaftlerin. Vor FINANCE war sie rund fünf Jahre als Legal-Journalistin für den Juve Verlag in Köln tätig, wo sie auch ihr journalistisches Volontariat absolvierte. Esra Laubach arbeitete während ihres Studiums multimedial u.a. für das ARD-Morgenmagazin, mehrere Zeitungen und moderierte beim Hochschulradio Kölncampus.