Das sind die Learnings aus dem ersten großen Starug-Fall Leoni

Der Fall Leoni hat für Aufsehen gesorgt – nicht nur, weil die Beteiligten während der Restrukturierung einige Stolpersteine zu überwinden hatten, sondern weil der Automobilzulieferer das erste größere Unternehmen ist, das das Sanierungsverfahren Starug eingesetzt hat. FINANCE hat mit Marlene Ruf, Partnerin im Bereich Restructuring bei Kirkland & Ellis in München gesprochen, sie hat mit ihrem Team die Kreditgeber von Leoni bei der Refinanzierung des 750 Millionen Euro schweren Kredits unter dem Starug-Verfahren beraten. Wie gut funktioniert das Verfahren? Worauf sollten sich Unternehmen und Restrukturierer einstellen? Was sind ihre Learnings? Info Seit Jahresbeginn 2021 können Unternehmen die präventive Sanierung nach dem Starug nutzen. Unternehmen dürfen den Restrukturierungsrahmen nur vor der Insolvenzreife nutzen, sie dürfen nicht zahlungsunfähig oder überschuldet sein. Im Mittelpunkt des Verfahrens der präventiven Sanierung steht der Restrukturierungsplan. Starug wird als „Drohung“ genutzt Vor Leoni gab es eher wenige Starug-Fälle. Ein prominenteres Beispiel ist das Verfahren des Hemdenherstellers Eterna. Insgesamt haben eher kleinere Unternehmen mit nicht allzu komplexen Kapitalstrukturen das Verfahren angewendet. Für Juristin Ruf war es der erste große Fall, bei dem das Starug tatsächlich in der Praxis durchgeführt wurde. „Wir haben uns natürlich schon zuvor mit dem Verfahren beschäftigt“, sagt sie. So hat Kirkland & Ellis das Verfahren schon bei mehreren Unternehmen konkret vorbereitet. „Seit es das Starug gibt, wird das Verfahren eigentlich immer als Plan B zu anderen Restrukturierungsverfahren gedacht.“ Das Starug werde häufig als Nichteinigungsalternative dargestellt, da bei dem Verfahren die gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung gilt. Einzelne Gläubigergruppen könnten damit überstimmt werden. Im Fall Leoni habe sich der Aufwand im Vergleich zu anderen Restrukturierungsverfahren dieser Größenordnung nicht wirklich unterschieden. Auch sollen nicht mehr Berater als üblich engagiert worden sein. „Restrukturierer wissen, was man für das Starug braucht. Das Verfahren ist kein Hexenwerk“, so Ruf. Vor allem wenn sich die Restrukturierer vorher schon mit dem englischen Scheme-of-Arrangement-Verfahren auseinandergesetzt haben. Das Scheme of Arrangement ähnelt dem Restrukturierungsplan nach dem Starug. Für Leoni seien die englischen Verfahren eher nicht in Frage gekommen. Ganz ausgeschlossen wäre es nicht gewesen, da auch über deutsche Forderungen das Dutch Scheme WHOA oder ein Restructuring Plan gemacht werden kann. In diesem Fall käme dies jedoch nicht in Betracht. Verzögerungen in der Restrukturierung einplanen Ein Unterschied vom Starug zu vollkonsensualen vorinsolvenzlichen Restrukturierungen ist die erhöhte „Gefahr“ von Rechtsmitteln. Denn Gläubigergruppen, die – wenn auch erfolgreich und gesetzestreu – überstimmt wurden, könnten versuchen sich wehren. Auch bei Leoni wollten sich Kleinaktionäre gegen die Durchführung des Starug-Verfahrens wehren – aus ihrer Sicht wurden sie vom Bezugsrecht bei der Kapitalerhöhung ausgeschlossen. Das Gericht Nürnberg-Fürth hatte die sofortigen Beschwerden Mitte Juli abgewiesen. Dass Rechtsmittel eingelegt würden, damit hatte Ruf schon gerechnet. Sie schätzt, dass künftig auch andere Gläubigergruppen innerhalb eines Starug-Verfahrens den gleichen Schritt gehen könnten. Generell gelte: „Eine sofortige Beschwerde hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die überstimmte Gläubigergruppe nachweist, dass sie ohne den Restrukturierungsplan besser dastehen würde“, erklärt die Sanierungsspezialistin. Im Fall Leoni wäre ohne das Starug wahrscheinlich die Insolvenz eingetreten – und auch dann wären die Kleinaktionäre vermutlich mit Null rausgegangen. Solche Beschwerden können laut Ruf zu Verzögerungen führen. Üblich sei daher, dass Restrukturierer sich schon bei der Vorbereitung auf das Verfahren auf Widerstand einstellen und antizipieren, welche Gruppen Einwände erheben werden. Auch helfe es, vorab Argumente zu sammeln, die man den entsprechenden Gläubigergruppen gegenhalten kann. Ist das Starug sachgemäß durchgeführt, seien Rechtsmittel ohnehin nicht erfolgreich. Starug braucht mehr Rechtssicherheit Bisher gingen einige Restrukturierer davon aus, dass das Starug in Einzelfällen nicht angewandt wurde, weil es mit dem englischen Scheme of Arrangement erprobtere Verfahren gibt, die mit höherer Rechtssicherheit einhergehen und je nach Fall auch für deutsche Unternehmen in Betracht kommen. Ruf schätzt, dass es einen weiteren Grund für die Zurückhaltung gibt: Die Gerichte sind mit dem Verfahren noch nicht so vertraut. Beim Starug gab es bis vor kurzem noch keine Präzedenzfälle. Daher müssten sich auch die Gerichte erst einmal einarbeiten. Deshalb seien bisher viele Unternehmen, deren Unternehmensstruktur es hergegeben hat, ins Ausland gegangen, „wo die Gerichte zum Beispiel schon sehr viele Urteile zum Scheme of Arrangement getroffen haben“. Für Ruf ist wichtig: „Wir wollen nicht unbedingt Rechtsgeschichte schreiben, sondern unseren Mandanten Rechtssicherheit bieten.“ Sie schätzt, dass es noch weitere zwei bis drei größere Fälle braucht, damit das Starug in der Breite häufiger genutzt wird.

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