Newsletter

Abonnements

Restrukturierungs-News: Insolvenzfrist, Klingel, Annerose Tashiro

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken
Vorstände, Geschäftsführer und CFOs sollten schon jetzt wieder das verschärfte Insolvenzrecht ab 2024 im Blick haben. Foto: P365.de – stock.adobe.com
Vorstände, Geschäftsführer und CFOs sollten schon jetzt wieder das verschärfte Insolvenzrecht ab 2024 im Blick haben. Foto: P365.de – stock.adobe.com

Verschärftes Insolvenzrecht wieder ab September

Änderung im Insolvenzrecht ab September: Der Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung verlängert sich wieder auf zwölf Monate. Im Frühjahr hatte der Gesetzgeber den Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung, in dem Unternehmen ihre ausreichende Durchfinanzierung für die Zukunft dokumentieren müssen, von zwölf auf vier Monate reduziert. Grund dafür war die Planungsunsicherheit, besonders für Energiekosten, die durch den anhaltenden Ukraine-Krieg entstanden ist.

Die verkürzte Frist gilt zwar qua Gesetz bis zum 31. Dezember 2023, allerdings büßt die Regelung schon vor dem Ablauf der Geltungsdauer ihre praktische Wirksamkeit ein. Wenn für ein Unternehmen weniger als vier Monate vor dem 31. Dezember 2023, also ab dem 1. September 2023 bereits feststeht, dass es ab dem 1. Januar 2024 nicht für die dann wieder geltenden zwölf Monate durchfinanziert ist, ist dieser Befund bereits ab dem 1. September 2023 bei der Prüfung der Insolvenzantragspflicht zu berücksichtigen, stellt der Gravenbrucher Kreis fest.

Vorstände, Geschäftsführer und CFOs sollten damit spätestens im August 2023 eine rollierende integrierte Unternehmensplanung mit einem Planungshorizont von jeweils zwölf Monaten als Teil der gesetzlich geforderten Überwachungssysteme des Unternehmens einrichten.

Klingel Gruppe geht in Eigenverwaltung

Im August beginnt für die Klingel Gruppe ihr vom Amtsgericht Karlsruhe eröffnetes Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Von der Sanierung ist sowohl die Hauptgesellschaft mit Sitz in Pforzheim betroffen als auch die zwei Hamburger Tochtergesellschaften Impressionen Versand und Schneider.

Die Geschäftsführer sanieren das Multichannel-Versandhaus mit der Restrukturierungskanzlei Pluta und dem Sachwalter Martin Mucha (Grub Brugger). Mucha ist bereits seit Mai als vorläufiger Sachwalter engagiert und führt alle drei Eigenverwaltungsverfahren. Zuletzt seien die betrieblichen Abläufe optimiert und die Kosten reduziert worden.

Gespräche über Personalanpassungen würden in Kürze beginnen. Derzeit sind 2.000 Mitarbeitende an den insgesamt neun Standorten tätig. Der Geschäftsbetrieb läuft im Bereich Mode, Schuhe, Schmuck, Wohnen und Gesundheit bislang weiter. Das Warenhaus befinde sich aktuell in ersten Verhandlungen mit potentiellen Investoren.

Annerose Tashiro hat Schultze & Braun verlassen

Annerose Tashiro verlässt nach 19 Jahren die Restrukturierungskanzlei Schultze & Braun und wechselt in die Corporate-Welt. Sie ist seit August neue Rechtsabteilungsleiterin beim Lithium-Lieferanten AMG Lithium. Zuletzt leitete sie bei Schultze & Braun den Bereich internationale Restrukturierungen und Insolvenzen. Daneben ist sie erfahren in Unternehmensstrategieberatung, Risikomanagement, Transaktionen und Refinanzierungen.
Die Leitung des Bereichs internationale Restrukturierung bei Schultze & Braun hat mit Ausscheiden Tashiros der ebenfalls in internationalen Restrukturierungen erfahrene Philipp Esser übernommen.

AMG Lithium, mit Sitz in Frankfurt, entwickelt und produziert Lithiumhydroxid in Batteriequalität sowie Hochleistungsmaterialien der nächsten Generation von Li-Ionen-Batterien. Aktuell errichtet AMG in Sachsen-Anhalt eine Anlage für Lithiumhydroxid in Batteriequalität. Tashiro ist in ihrer Funktion als Rechtsabteilungsleiterin insbesondere für grenzüberschreitende Transaktionen, Gesellschaftsrecht und internationales Recht zuständig, so ihr Linkedin-Profil.

St. Vincenz: nächste Klinikgruppe in Schieflage

Die St. Vincenz-Krankenhaus Gruppe aus Paderborn sucht Hilfe unter dem Schutzschirm: Das Amtsgericht Paderborn hat Rainer Eckert aus der gleichnamigen Kanzlei zum vorläufigen Sachwalter des Schwerpunktversorgers bestellt. Mit der Sanierung und Restrukturierung der Gruppe wurden Christoph Niering und André Dobiey von Niering Stock Tömp betraut. Die in Schieflage geratene Krankenhausgruppe umfasst drei Kliniken in Nordrhein-Westfalen, unter anderem die größte Geburtshilfe in NRW.

Laut Unternehmen versorgen über 3.000 Mitarbeitende jährlich über 40.000 Patienten. Durch das Insolvenzgeld erhalten die Mitarbeitenden weiterhin Löhne und Gehälter. „Ziel des Schutzschirmverfahrens ist der Erhalt der Klinik durch eine nachhaltige Sanierung, unter anderem durch operative Maßnahmen wie ein besseres OP- und zentrales Einkaufsmanagement“, heißt es in einer Mitteilung.

Weitere Insolvenz- und Sanierungsverfahren

Das gleiche Schicksal wie die St. Vincenz-Krankenhausgruppe ereilte das saarländische SHG Klinikum in Merzig: Dieses hatte Ende Juli ein Schutzschirmverfahren beantragt. Und auch hier ist die Kanzlei Eckert gesetzt. In diesem Falle wurde Mark Boddenberg vom Amtsgericht Saarbrücken-Sulzbach zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Ziel ist eine langfristige wirtschaftliche Stabilisation, während der Klinikbetrieb uneingeschränkt weiterlaufen soll. Begleitet wird die zur SHG-Gruppe gehörende Einrichtung von den Generalbevollmächtigten Jens Lieser und Martin Kaltwasser von Lieser Rechtsanwälte. Das Merziger Klinikum ist, wie mittlerweile viele Kliniken und Pflegeheime, durch coronabedingte Einnahmeeinbrüche und gleichzeitig steigenden Kosten in Schieflage geraten.

Wölfer Motoren hat Ende Juni einen Insolvenzantrag gestellt. Nun ist der Osnabrücker Elektromotorenhersteller mit Hilfe von Sachwalterin Caroline Stevens (Görg) und dem Managementberater Hubertus Bartelheimer (Wieselhuber & Partner) in seinem vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren auf der Suche nach einem Investor. Schwierigkeiten in den Lieferketten führten zu einem Umsatzrückgang, wodurch das Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten geraten sei.

In Essen ist für Druckpartner Druck- und Medienhaus das Sanierungsverfahren eröffnet worden. Das Gericht bestätigte die durch gestiegene Material- und Energiekosten erforderliche Eigenverwaltung der Geschäftsführung, der der Sachwalter Christoph Chrobok (Pluta) beisteht. Der Betrieb läuft mit allen 120 Mitarbeitenden uneingeschränkt fort. Derweil wurden die weitere Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern konkretisiert und weitere Optimierungsmaßnahmen umgesetzt. Damit sei „bereits Land in Sicht“, so die Generalbevollmächtigten Thomas Ellrich und Frank Zilkens (Voigt Salus).

Die Sport-2000-Genossenschaft Zentrasport muss sich einem Sanierungsverfahren unterziehen. Von der Insolvenz sollen 131 Mitarbeiter sowie 450 Gläubiger betroffen sein. Der Sportfachhändlergemeinschaft sei es nicht gelungen, Finanzierungslösungen zu finden, um den Liquiditätsengpass zu bewältigen. Die 229 Sport-2000-Händler mit 367 Geschäften in Österreich sind selbstständig organisiert und daher nicht von der Sanierung betroffen. Derzeit sei eine deutsche Einkaufsvereinigung an einer Übernahme interessiert, bis dahin soll der Warenverkehrt wie gewohnt weiterlaufen.

Distressed M&A

Der Klima-Spezialist Gogas Goch aus Dortmund hat einen Käufer gefunden. Insolvenzverwalter Wolfgang Piroth (ADKL) hat sich mit dem strategischen Investor Eco Mondia Green Technology aus Düsseldorf geeinigt und führt den Betrieb mit den Geschäftsführern bis zur Übernahme uneingeschränkt weiter. Vor rund einem Jahr musste Gogas Goch Insolvenz anmelden, weil mehrere Kunden aufgrund der drastischen Gas-Preissteigerungen ihre vergebenen Projekte gestoppt hatten.

Investor Eco Mondia will mit dem neu gewonnenen Standort ihren Bereich Photovoltaik mit neuartigen Leichtbau-Modulen weiter ausbauen. Daher werden alle 60 Mitarbeitenden von Gogas Goch übernommen. Die Marke Gogas bleibt erhalten und die Führungsriege um Geschäftsführer Heiko Schneider kümmert sich auch künftig um Kunden und Aufträge.

Beendete Insolvenz- und Sanierungsverfahren

Der Insolvenzverwalter der MV-Werften Gruppe, Christoph Morgen, hat die Werft in Wismar an seinen Untermieter – die Meyer-Werften aus Papenburg – übergeben. Damit ist endgültig klar, dass das Kreuzfahrtschiff Global Dream fertiggebaut wird. Für die Fertigstellung für den Disney-Konzern wird das Schiffbauunternehmen Meyer zuständig sein. Hierfür wurden den Angaben nach 400 Mitarbeiter von dem Unternehmen angestellt. Der Verbleib des Schiffs war zwischenzeitlich unklar gewesen, nachdem der Eigentümer Genting aus Hongkong Insolvenz hatte anmelden müssen. 

Die Werft in Wismar befindet sich seit Juni 2022 im Eigentum von Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS), die Thyssenkrupp-Tochter hatte das Unternehmen von der insolventen MV Werften übernommen. Zudem gab Insolvenzverwalter Morgen auch bekannt, dass die von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern gewährten Massedarlehen für die Werften in Wismar und Rostock-Warnemünde in Höhe von rund 13 Millionen Euro plus Zinsen vollständig im August zurückgeführt werden.  

Der Rettungsversuch des Wiener E-Lastenrad-Startup Gleam ist gescheitert, wie Anfang August bekanntwurde. Im Juni meldete Gleam seine Insolvenz an. In letzter Konsequenz wandte sich Gleam-Gründer Mario Eibl noch mit einem Linkedin-Post an seine Follower. 75.000 Euro fehlten dem Start-up letzten Endes, um das Unternehmen fortführen zu können. Masseverwalter, Gerd Konezny (Gerd Konezny), hat das Risiko auf Fortführung des Sanierungsverfahren als zu hoch eingeschätzt, weshalb dieses nun eingestellt wurde. Demnach werden im letzten Schritt alle Vermögenswerte aus der Konkursmasse herausverkauft.

Die neuesten Restrukturierer-Personalien

Die Sanierungs- und Restrukturierungsberatung TMC Turnaround Management Consult stärkt ihr Management aus den eigenen Reihen: Der erfahrene Restrukturierungsexperte Markus Bennemann ist zum Partner bei TMC berufen worden. Seit 2010 ist er auf Sondersituationen in Restrukturierungsphasen und Distressed-M&A-Prozesse spezialisiert. Neben der Logistik zählen die Energiewirtschaft, Automotive, Food und Anlagenbau zu seinen Branchenschwerpunkten.

Info

Esra Laubach ist Redakteurin bei FINANCE und widmet sich schwerpunktmäßig den Themen Transformation, Restrukturierung und Recht. Sie ist Sprach- und Kommunikationswissenschaftlerin. Vor FINANCE war sie rund fünf Jahre als Legal-Journalistin für den JUVE Verlag in Köln tätig, wo sie auch ihr journalistisches Volontariat absolvierte. Esra Laubach arbeitete während ihres Studiums multimedial u.a. für das ARD-Morgenmagazin, mehrere Zeitungen und moderierte beim Hochschulradio Kölncampus.