Das Duisburger Traditionsunternehmen Klöckner hat seine Geschäftsprognose für das Gesamtjahr 2022 radikal nach unten korrigiert: Bisher hatte der Vorstand einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) vor wesentlichen Sondereffekten von mehr als 500 Millionen Euro für das Jahr 2022 erwartet, nun rechnet er nur noch mit rund 400 Millionen Euro.
Die Zahlen sind eindeutig: Im dritten Quartal 2022 hatte der Stahlhändler ein Ebitda von lediglich 16 Millionen Euro erzielt – prognostiziert hatte er mit 50 bis 100 Millionen Euro ein Vielfaches mehr. Das ist besonders bemerkenswert, weil Klöckner nach eigenen Angaben in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 das stärkste erste Halbjahr seit 2006 verzeichnen konnte. Der Umsatz war im Vergleich zum Vorjahr um fast 50 Prozent auf 5 Milliarden Euro gestiegen, im ersten Halbjahr 2021 lag er noch bei 3,4 Milliarden Euro.
Das um wesentliche Sondereffekte bereinigte Ebitda lag in diesem Zeitraum bei 423 Millionen Euro (1. Halbjahr 2021: 401 Millionen Euro). Im August stellte der Klöckner-CEO und frühere ThyssenKrupp–CFO Guido Kerkhoff fest: „Wir blicken aufgrund der zeitweise deutlich gestiegenen Preise im Markt auf ein herausragendes erstes Halbjahr zurück.“
Sinkende Stahlpreise führen zu Umsatzeinbußen
Die zwischenzeitlich deutlich gestiegenen Stahl- und Metallpreise sind allerdings wieder stark gesunken. Dies führte zu einer unvorhergesehenen Bestandsabschreibung zum Quartalsende sowie einer Bestandsreduktion, stellte Klöckner nun fest und begründete damit die schwachen Zahlen. Zu den sinkenden Stahlpreisen kommt laut Klöckner eine schwache Nachfrage.
Der Risikoexperte Frank Liebold vom Versicherungskonzern Atrasius stellt fest, dass die unterbrochenen Lieferketten aus Asien die Unternehmer zwingen, mehr Material auf Vorrat einzulagern, was wiederum mehr Liquidität bindet.
„Leittragende sind wie so oft in diesen Zeiten zunächst kleinere und mittelständische Unternehmen mit geringeren Liquiditätspolstern“, erklärt Liebold. Aber: „Aufgrund der Kombination aus schwächerer Nachfrage und anhaltenden globalen Überkapazitäten im Stahlsegment könnten die Großhändler durch hohe Lagerbestände in Schwierigkeiten geraten.“
Steht die Stahl- und Metallbranche vor Insolvenzen?
Er rechnet mit einer steigenden Anzahl von Insolvenzen in der Stahl- und Metallbranche sowie im Maschinenbau. Das liege unter anderem daran, dass durch die staatlichen Corona-Hilfen und durch das vorübergehende Aussetzen der Insolvenzantragspflicht Unternehmen, die unter anderen Umständen nicht mehr lebensfähig gewesen wären, weiterhin bestehen – sogenannte Zombieunternehmen.
Auch die wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine fordern die Branche heraus. Neben unterbrochenen Lieferketten ist die Gasversorgung aus Russland fast gänzlich zum Erliegen gekommen – für die energieintensiven Branchen eine Herausforderung. Laut Liebold könnte dies zu einer Zunahme der Zahlungsausfälle führen. „In der Stahl- und Metallindustrie geht es vor allem darum, dort, wo es möglich ist, auf alternative Energieträger umzusteigen.“ Eine weitere Chance biete nicht nur die Umstellung auf andere Energie, sondern die digitale Transformation.
Aktienkurs von Klöckner gibt deutlich nach
In der Digitalisierung sieht sich der SDax-Konzern Klöckner selbst als Vorreiter in der Stahlindustrie, auch eine Nachhaltigkeitsstrategie besitzt das Unternehmen bereits. Selbst während der Corona-Pandemie war der Aktienkurs der Duisburger weitgehend stabil und legte zeitweise sogar deutlich zu.
Das hat sich zuletzt gedreht: Vor allem nach der Bekanntgabe der Prognosekorrektur rauschte der Kurs im Laufe des heutigen Vormittags zeitweise um rund 14 Prozent ab und hat sich inzwischen bei rund 6,80 Euro eingependelt. Den Kurs wieder in die Spur zu bringen, wird auch Aufgabe von Klöckner-CFO Oliver Falk sein, der den Posten seit August 2019 innehat.
Allerdings ist unklar, wie schnell eine Besserung in Sicht ist: Das Bankhaus Metzler hatte bereits in der vergangenen Woche auf eine drohende Gewinnwarnung hingewiesen und stellte einige Quartale mit erheblichen Sondereinflüssen und geringeren Liefermengen in Aussicht. Auch Oddo BHF hat nun das Kursziel gesenkt.
Erika von Bassewitz ist Redakteurin bei FINANCE. Sie hat Philosophie und Französisch an der Humboldt-Universität in Berlin sowie an der Université de Genève studiert und mit einem Magister Artium abgeschlossen. Vor FINANCE war sie mehr als acht Jahre Redakteurin in der Multimediaredaktion des Medienhauses der EKHN. Davor war sie unter anderem Redakteurin beim HR-Magazin von monster, freie Autorin bei Deutsche Welle TV und freie Mitarbeiterin bei der Westdeutschen Zeitung.